30.07.2018

«Im Namen Gottes des Allmächtigen!»

Keine Schülerantwort aus den vielen Jahren als Religionslehrer ist mir mehr hängen geblieben als die folgende auf meine Frage: «Wie können wir für Gott heute Reklame machen, auf einem Plakat, auf einem T-Shirt?»

Von Philipp Hautle
aktualisiert am 03.11.2022
«I am not the greatest!», antwortet Beni nach einer kurzen Denkpause. «Ich bin nicht der Grösste!»«America first!», ist zum geflügelten Anti-Ausdruck geworden. Wir können uns darüber ärgern. Oder ich frage mich in einer stillen Stunde: Wo sage ich: Jetzt komme ich einmal zuerst?Wenn ein Säugling Durst hat, schreit er. Jetzt komme ich zuerst. Völlig legitim. Wenn ein Kindergärtler sofort schreit, wenn sein Bedürfnis nicht befriedigt, sein Wunsch erfüllt wird, dann hat er noch zu lernen. Denn zum einen können und müssen nicht alle Bedürfnisse befriedigt werden. Zum andern sind da auch all die Bedürfnisse und Wünsche der andern. Da gilt es zu schauen, abzuwägen, zu fragen, zu warten, den Blick und die Hand für andere zu haben.Am 1. August tut es mir gut, wieder einmal die Einleitung zu unserer Bundesverfassung zu lesen: Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung . . .» (Präambel der Schweizer Bundesverfassung vom 18. April 1999).Ich bin nicht der Grösste. Ich und Du, wir alle rund um den Erdball, sind nicht die Grössten. Das umschreibt unsere Bundesverfassung mit dem traditionell-christlichen Ausdruck «Im Namen Gottes des Allmächtigen!». Vielleicht mögen sie diesen Ausdruck nicht. Möchten ihn am liebsten streichen.Was würden Sie stattdessen unserer Bundesverfassung an den Anfang stellen?Benis Antwort: «I am not the greatest!» Kein Staat, keine Nation, kein Volk ist «first» – sondern wir alle sind eingebettet in ein viel Grösseres, Ganzes, Geheimnisvolles – von vielen Gott genannt. Von daher darf ich alle Koordinaten des Lebendigen ziehen. Mit Recht.Ihnen einen besinnlichen und kraftvollen 1. August.Philipp HautleRebstein

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