05.02.2020

Im Endspurt auf Medaillenjagd

Zwischen Weltcup in St. Moritz und Junioren-WM in Winterberg: Bob-Anschieber Marco Tanner erlebt im Februar einige Saisonhighlights.

Von Yves Solenthaler, St. Moritz
aktualisiert am 03.11.2022
Viertbeste Startzeit aller Teams, im Sunny Corner Probleme wie die ganze Woche im Training, vom Horse Shoe bis ins Ziel, der steilsten Passage der «weltgrössten Eisskulptur, eine Fahrt wie aus einem Guss (Top-Speed 138,9 km/h)». Zweierbob-Pilot Michael Kuonen und sein 25- jähriger Anschieber Marco Tanner aus Lüchingen können mit ihrem gemeinsamen Debüt im Weltcup zufrieden sein.«Schade ist, dass wir die Top 10 als Elfte um ein paar Hundertstel verpassten», sagt der 28-jährige Michael Kuonen.Auch im Weltcup läuft’s mit dem kleinen Bob besserDer Oberwalliser pilotiert die Schlitten erst seit zwei Jahren selber. Er bezeichnet sich als Anfänger, das Weltcup-Debüt war aber das Ziel. Dazu ist es gekommen, und erst noch auf der Heimbahn in St. Moritz. «Chueli» und Tanner sind die ersten Schweizer, die «Schweiz I» (Michael Vogt) besiegten.Im Viererbob lief es aber nicht mehr so gut, ein Spiegelbild der Saison: Zwar erzielte das Team Kuonen seinen einzigen Podestplatz im Europacup mit dem grossen Schlitten, als Zweiervertretung waren Kuonen & Co. (meist Tanner) aber wesentlich konstanter. Das hängt mit der Unerfahrenheit des Piloten zusammen, die sich im Vierer stärker auswirkt, und auch damit, dass das Team personell ausgedünnt ist. «Wegen vielen Verletzungen zu Beginn der Saison konnten wir nie mit der Mannschaft antreten, mit der wir im Sommer die Trainings bestritten», sagt Tanner. In St. Moritz sprang Kai Tedeschi ein. Er rutschte beim Start zum zweiten Lauf aus, Marco Dörig auf der rechten Position zog ihn in den Schlitten, verlor darob aber selbst den Tritt und brauchte Unterstützung von Hintermann Marco Tanner. Am Schluss der Slapstick-Nummer schafften es alle in den Bob, aber die Zeit war natürlich ruiniert.«Wir waren im ersten Lauf nicht gut gestartet, vielleicht wollten wir zuviel», sagt Tanner.Kuonen bestreitet die Saison mit einem Budget von 150 000 Franken, damit zahlt er unter anderem die Teammitglieder, der Chef gibt sich selbst keinen Lohn. Dieser ist nicht üppig, «wenn ich im Winter arbeitete, würde ich deutlich mehr verdienen», sagt Marco Tanner.Wer diesen Deal eingeht, muss grosse Ziele haben. Im Fall von Tanner sind es die Olympischen Spiele 2022 in Schanghai. Dort will er für die Schweiz Bobs anschieben und mindestens ein Diplom gewinnen.Tanner setzt grosse Hoffnungen in den neuen Athletiktrainer Chris Woolley: Sowohl Tanner als auch Kuonen sind eher leichte Athleten, müssen deshalb den kleinen Bob mit 30 Kilo beschweren: «Das spürt man beim Anschieben.» Beim 1,76 m grossen Tanner, der etwa 93 kg wiegt, ist die Grenze bald erreicht, der grössere Michael Kuonen hat mehr Spielraum.Tanners guter Ruf als Anschieber hat ihn an die Junioren-WM in Winterberg geführt, wo er in beiden Konkurrenzen den Schlitten von Cedric Follador anschiebt. Grösser sind die Medaillenchancen aber eine Woche später, wenn abermals in St. Moritz die Schweizer Meisterschaften stattfinden: «Dort wollen wir mit dem Team Kuonen eine Medaille gewinnen – am liebsten die goldene.»Ein gutes Omen sind die Starter-Meisterschaften vom September, damals gewann das Team Kuonen (mit Marco Tanner) im Zweier- und im Viererbob die Goldmedaille. Drei Weltcup-Debütanten aus der SchweizMarco Tanner hatte schon vor zwei Jahren als Anschieber von Olympiasieger Beat Hefti in Nordamerika im Weltcup debütiert – mit klar schlechteren Resultaten als nun in St. Moritz im Zweierbob. «St. Moritz ist damit nicht vergleichbar – hier ist mein Fanclub und der des Teams Kuonen am Rennen», sagt der Lüchinger, «das nehme ich aber nur wahr, wenn ich aus der Garderobe komme, danach bin ich bis zum Start im Tunnel.»Für Michael Kuonen war es das Weltcup-Debüt als Pilot, bis 2018 war er als Anschieber von Rico Peter und früher Clemens Bracher dabei. In dieser Saison sind auch Simon Friedli und Cedric Follador erstmals im Weltcup eingesetzt worden. Fixstarter ist der 22-jährige Michael Vogt.Zwischen 1968 und 2002 waren Schweizer Bobfahrer olympische Medaillengaranten. 2006 gab’s erstmals kein Edelmetall, nach den medaillenlosen Spielen 2018 führten viele Rücktritte zu einem Pilotenmangel. Dieser ist nun behoben, Tanner sagt: «Zurzeit gibt es eher zu wenig Anschieber für die vielen Piloten.» Für den Anschieber ist das gut, es macht ihn begehrter.

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