25.01.2022

Im Elternhaus zusammengefunden

Tiara-Sophia und Pitt-Alexander Wibawa aus Rheineck wurden nach zweijähriger Wettkampfpause Schweizer Meister im Latein. Die Geschwister, die seit sieben Jahren ein Tanzpaar sind, wollen noch mehr erreichen.

Von ys
aktualisiert am 02.11.2022
Beide tanzen, seit sie fünf Jahre alt waren, die Eltern haben sich, wie könnte es anders sein, im Tanzkurs kennen gelernt. Wegen des Altersunterschieds – Pitt-Alexander ist 26, Tiara-Sophia 21 Jahre alt – tanzten sie als Kinder nicht zusammen. «Aber wir hatten oft nacheinander Trainingsstunden, so verbrachten wir viel Zeit zusammen», sagt Pitt-Alexander Wibawa.Sie tanzte mit einem Dänen, er mit einer SlowakinBis vor sieben Jahren hatte Tiara-Sophia einen anderen Partner, Pitt-Alexander eine andere Partnerin. Nicht eine andere Person aus Rheineck oder auch Rorschach, wo sie Tanzunterricht genossen, im Turniertanzen ist die Partnerwahl etwas komplizierter als in anderen Teamsportarten. Erstens ist es in der Schweiz kaum verbreitet, und die Auswahl wird, zweitens, dadurch weiter erschwert, dass die Paare genau zusammenpassen müssen. Die Technik des Gegenparts, bzw. sein Rhythmus sind ein wichtiges Kriterium, die Optik ebenfalls. Charakterliche Übereinkunft gehört weiter in den Anforderungskatalog, weil die Zusammenarbeit sehr eng ist. Und die Persönlichkeiten müssen übereinstimmen: «Wir erzählen mit unseren Tänzen eine Geschichte.»Tiara und Pitt Wibawa fanden vorerst internationale Lösungen. Er war recht lange mit einer Partnerin aus der Slowakei zusammen, reiste oft nach Bratislava. «Das war mit der Zeit sehr belastend», sagt er. Tiara tanzte mit dänischen Partnern. Vor der Kanti überlegte sich Tiara-Sophia gar in Dänemark zu bleiben, liess es aber sein. Nun waren beiden ohne Tanzpartnerin, bzw. -partner. «So kamen wir im Elternhaus wieder zusammen», sagt Pitt Wibawa.Sie haben es nicht bereut. Am Anfang war zwar der körperliche Unterschied gross, Tiara war erst 13 Jahre alt. Sie hatte mit Eiskunstlaufen angefangen und war auch vom künstlerischen Ausdruck her schon eine gute Tänzerin. «Wir verstehen uns prächtig, auch beim gemeinsamen Trainieren», sagt Tiara-Sophia Wibawa. Und wenn es beim Tanzen doch einmal zu Differenzen komme, «können wir nachher durch Gespräche über andere Themen wieder auf eine gemeinsame Ebene kommen».In Zürich haben sie bessere Bedingungen Inzwischen wohnen beide in Zürich. Pitt Wibawa hat sein Studium abgeschlossen und arbeitet seit Sommer zu 80 Prozent als Prozessingenieur bei Sonova, die unter dem früheren Namen Phonak nicht nur Radsportfans ein Begriff war: «So bleibt mir mehr Zeit für den Sport, das Tanzen hat unter dem Studium schon etwas gelitten.» Tiara-Sophia begann ein Sportstudium, das ihr aber nicht zusagte. Jetzt absolviert sie ein zweijähriges Jura-Assessment.Der Wohnort ist auch ein Bekenntnis zum Tanzen. In Zürich unterrichtet ihr Trainer Daniel Steinmann, noch wichtiger ist aber die Infrastruktur. Sie haben freien Zugang zu einem Tanzsaal mit weiteren Trainingsgeräten. In Rheineck war das anders, dort mussten sie jeweils Räume zu ihren Trainingszeiten mieten. Es gibt einige Tanzschulen in der Region, aber kaum Turniertanz. Pitt-Alexander und Tiara-Sophia hatten keinen Verein, der sie auf ihrem Weg unterstützte. «Hier haben wir bessere Möglichkeiten zum Trainieren», sagen beide.Nachdem sie jahrelang auch Standardtanz machten, entschieden sie sich schliesslich für die Disziplin Latein mit den Tänzen Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso Doble und Jive. «Denn wenn man Standard und Latein tanzt, kann man mit harter Arbeit in den einzelnen Disziplinen mithalten», sagt Tiara-Sophia Wibawa, «wenn man sich jedoch in einer Disziplin spezialisiert, kann man in dieser richtig gut sein.»Schweizer Meistertitel beim Comeback Schon vor dem Titelgewinn in Wallisellen Ende November waren die Geschwister Wibawa an der nationalen Spitze angelangt, bis vor allem Verletzungen von ihm die gemeinsame Karriere unterbrachen. «Die Schweizer Meisterschaft war für uns sehr wichtig», sagt Tiara-Sophia Wibawa. Die Tanzgeschwister wussten nach langer Absenz nicht, wo sie standen. Die Bestätigung, sich an der nationalen Spitze gehalten zu haben, brachte ihnen einen internationalen Auftritt ein, an der WM in Pforzheim klassierten sich Tiara-Sophia und Pitt-Alexander Wibawa in der ersten Ranglistenhälfte.Am kommenden Wochenende sollte das Tanzpaar am Qualifikationsturnier teilnehmen, bei dem es sich für die World Games im US-Bundesstaat Alabama hätte nominieren können – quasi die Olympischen Spiele für die Sportarten, die (noch) nicht bei Olympia dabei sind. Aber eine Verletzung von Pitt Wibawa stoppt das Tanzpaar wieder: Letzte Woche übertrat er sich den Fuss und riss sich dabei die Bänder. Die World Games kommen erst in vier Jahren wieder. «Wir verfolgen das Ziel weiter», sagt Tiara Wibawa. Ihr Bruder ergänzt: «Bis dahin ist aber eine lange Zeit, die World Games sind daher noch mehr ein Traum als ein Ziel.»Verletzungspause statt World GamesDie neuerliche Zwangspause beendet jedenfalls die Ambitionen der Wibawa-Geschwister nicht. Selbst das gemeinsame Training fällt nur zur Hälfte aus: «Fitnesstraining können wir noch gemeinsam machen», sagt Pitt-Alexander Wibawa. Und das mache für sie ungefähr 50 Prozent des Trainings aus.Der Fitnessanteil im Training ist bei Wibawas höher als bei den meisten anderen Tanzpaaren. Damit soll die Verletzungsgefahr gemindert werden, «zumal wir nicht die Stämmigsten sind», sagt Pitt Wibawa, «ich sollte nicht aussehen wie Hulk, aber Kraft und Rumpfstabilität sind für mich wichtig.» Allerdings verbunden mit Beweglichkeit – und auch der Faktor Kondition ist nicht zu unterschätzen. «Die Belastung eines Tanzes entspricht der eines 400-Meter-Laufs», sagt Pitt-Alexander Wibawa. An einem Turnier bestreiten die Latein-Tänzerinnen und -Tänzer drei bis vier Runden pro Tag, wobei pro Runde fünf Tänze auf dem Programm stehen – je einer im Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso Doble und Jive. Das machen sie für den sportlichem Ruhm, Einnahmen generieren sie damit kaum. «In anderen Ländern kann der nationale Tanzsportverband die Tänzerinnen und Tänzer teilweise unterstützen, somit können diese wohl vom Sport leben», sagt Pitt-Alexander Wibawa, «aber sie geben meistens doch noch Tanzstunden.» Pitt-Alexander und Tiara-Sophia Wibawa unterrichteten auch schon. Aber attraktiver für sie ist die Teilnahme an Shows. «Denn da können wir unserer Fantasie freien Lauf lassen», sagt Tiara Wibawa.Showauftritte regen die Fantasie an In besonders guter Erinnerung hat Pitt Wibawa einen Showauftritt am Zürcher Hauptbahnhof: «Dort hat es ein anderes Publikum als an anderen Tanzevents, wo die Leute meist wegen des Tanzens kommen.» Das Bahnhofpublikum liess sich spontan mitreissen. Wahrscheinlich viele Leute, die sonst nicht an eine Tanzveranstaltung gehen. Das ist, worum es Pitt und Tiara Wibawa beim Tanzen hauptsächlich geht: Sie erzählen eine Geschichte, die Menschen berührt.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.