24.05.2019

Identität und Nachfolge

Von Carsten Wolfers
aktualisiert am 03.11.2022
Mit Auffahrt und dann Pfingsten wird die Osterzeit bald enden. Diese Gedenk- und Festzeit macht dann wieder Platz für die gewöhnliche Zeit und hoffentlich für einen Sommer, der seinen Namen verdient. Für gläubige Christen ist diese Zeit eine Gelegenheit, das Besondere dieser Wochen zu sehen und daran zu denken.Biblisch ist diese Zeit von Ostern bis Auffahrt bestimmt von verschiedenen Erscheinungen Jesu. Immer wieder taucht er im Kreis seiner Jünger auf. Wenn sie sich hinter geschlossenen Türen verstecken, dann geht er durch Wände wie ein Gespenst. Wenn sie glauben, von Gespenstern heimgesucht zu werden, dann isst er mit ihnen Fisch und Brot wie ein ganz normaler Mensch. Und wenn diese Jünger nicht sicher sind, ob er es wirklich ist, dann zeigt er ihnen seine Wundmale von Folter und Kreuzigung. Es geht letztlich um Jesu Identität. Er ist ein ganzer Mensch mit Körper, eben nicht bloss Geist oder Idee. Er ist derselbe vor seinem Tod wie nachher. Er mag ihnen anders vorkommen, halt irgendwie verklärt, aber er ist derselbe wie eh und je.Die Erscheinungen Jesu legen einen zweiten Fokus auf die Nachfolge. Jesus bereitet die Jünger vor die kommenden Aufgaben, mit denen sie in seine Fussstapfen treten sollen. Den zweifelnden Thomas fordert er zum Glauben auf. Den zögerlichen Petrus fordert er auf, mit Liebe seine vorigen Fehlpässe zu heilen und sich um seine Mitgläubigen zu kümmern. Allen sagt er, sie sollen taufen, die Botschaft verkünden und in alle Welt hinausgehen. In wenigen Erzählungen wird dort deutlich, dass christlicher Glaube beides ist: Mit Jesus Christus in der Mitte auf dem Platz zu stehen und sich gemeinsam anzustrengen. Kirche nach seinem Geschmack sieht weder Zuschauerraum noch Ersatzbank vor. Würde Jesus Christus beim kommenden Sonntagsgottesdienst durch die Wand kommen, sich zu erkennen geben und zum Essen als Teilhabe einladen, wir wären wohl alle sehr erschrocken. Dennoch wünsch’ ich mir diese Deutlichkeit der heutigen Kirche, würde es doch viele Krankheiten dieser Kirche heilen. Manche Struktur- und Konzeptdebatte wäre passé, wenn er auftaucht. Der Sumpf von Machtspiel und Intransparenz wäre trocken. Die Konsumerwartung vieler Gläubiger wäre vorbei, wenn er selbst auffordert zu taufen, zu verkünden, zu glauben, zu lieben. Etwas versöhnlicher mag ich den Kirchen allerdings einräumen, dass sie dies doch tun. Kirchen kümmern sich um den Christus in ihrer Mitte und in seiner Nachfolge füllen sie die Aufgaben aus. Es dürfte nur manchmal etwas deutlicher sein, sowohl nach innen im Bewusstsein der Gläubigen als auch nach aussen in der Wahrnehmung Aussenstehender.Das mag man nun gedenken in dieser Zeit vor Auffahrt. Man mag unseren Kirchen wünschen, dass sie wissen um Christus in ihrer Mitte und um die Aufgaben, die Jesus setzt. Wenn seine Identität und unsere Nachfolge deutlich ins Bewusstsein kommen, dann mag irgendwann der Sommer wiederkommen, auch ein christlicher Sommer für seine herbststurmgeplagten Kirchen.Carsten WolfersDiakon in Balgach

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