25.03.2022

«Ich singe viel beim Spazieren»

Crimer, mit bürgerlichem Namen Alexander Frei, tritt erst zum zweiten Mal mit seiner Band im Rheintal auf.

Von Interview: Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Der in Zürich lebende Balgacher sagt, er habe das Heerbrugger Kinotheater immer geschätzt, er habe sich hier viele Filme angesehen. Alexander Frei gefielen die Auswahl, das Platzangebot, die Nähe, der Komfort. Auf sein Konzert freut er sich umso mehr, als er sich dem Rheintal und der Heerbrugger Kulturinstitution stark verbunden fühlt. Seit seinem letzten Rheintaler Auftritt hat sich künstlerisch und privat viel getan: Crimer hat ein zweites Album herausgegeben und ist Vater geworden.Alexander Frei, Ende April wird es fünf Jahre her sein, dass Ihre erste EP «Preach» erschienen ist.Crimer: Ah, okay ...Sie wussten es gar nicht? Ich bin jemand, der auf solche Jubiläen immer aufmerksam gemacht oder an sie erinnert werden muss; ich bin tatsächlich etwas überrascht.Kommt in Gedanken an die fulminante Startzeit etwas Wehmut auf? Durchaus. Nach fünfjährigem Unterwegssein ist der Rückblick schon ein Grund, etwas nostalgisch zu werden.Seit Sommer 2019 arbeiten Sie zu hundert Prozent als Crimer. Das sei einer der besten Schritte gewesen, meinten sie bald darauf. Ich nehme an, Corona hat auch Sie jäh gebremst. So ist es, ja. Aber zum Glück trifft man wegweisende Entscheidungen frei von Gedanken an etwas so Unabsehbares wie eine Pandemie.Das vorbehaltlose Ja zur Musik ist auch aus heutiger Sicht richtig? Auf jeden Fall. Ich habe allerdings eine Zeit erlebt, die anders als erwartet war, Corona schlug doch eine rechte Kerbe in mein künstlerisches Schaffen. Das hat mehr an mir genagt, als ich gedacht hätte. Lichtblicke gab es zwar auch ...... aber dann wurde es doch nicht besser? Mit Blick auf die ganze Welt – nein. Es war, als rollte ein immer grösser werdender Schneeball an uns vorbei, und ein Gefühl der Ohnmacht war unumgänglich.Nun zieht das kulturelle Leben wieder an, für Sie mit Auftritten am Zürich Openair, am Gurtenfestival, am Schmittner Openair und – am 30. März – im Heerbrugger Kinotheater Madlen. Sind Sie ausgelastet? Nein, bei Weitem nicht. Die vielen Openairs schleppen seit drei Jahren ihre Programme mit sich herum. Zum Glück kommt aber doch immer wieder ein Engagement dazu, es gibt schöne Zeichen, aber wie gesagt: Ich könnte mehr auftreten.Zum wievielten Mal treten Sie nächste Woche im Rheintal auf? Als Crimer und zusammen mit der Band zum zweiten Mal. Der erste Auftritt fand im Rahmen eines Balger Weihnachtsmarkts in einer Turnhalle statt.Ich schätze, den exklusiven «Madlen»-Rahmen erlebt das Publikum an Ihren anderen Konzerten nicht. Es ist ja nicht so, dass wir nur in grossen Hallen und in Städten spielen. Nach wie vor geben wir auch Konzerte in ländlichen Gegenden, in Dörfern, in überschaubarem Rahmen. Das ist umso spannender, als wir mit Veronica Tention eine Drag Queen als Spezialgast dabei haben. Die Reaktionen in der Stadt und auf dem Land unterscheiden sich zum Teil doch merklich.Ihr zweites Album, «Fake Nails», ist letzten Oktober erschienen. Der Song «I want you to know» ist atypisch und besonders stark, eine nachdenkliche, sparsam instrumentierte Ballade. Mir gefällt der Song bzw. diese Art von Songs besonders. Gibt’s bald mehr davon? In seiner Urform war der Song nicht sparsam instrumentiert. Ihn aufzunehmen war insofern speziell, als erst im Studio die Idee entstand, der Zuhörerschaft bei diesem Lied auch mal Schnauf zu lassen. «I want you to know» ist mein persönliches Highlight geworden, ein Song, bei dem ich es am besten schaffe, das Publikum abzuholen, das hätte ich nicht gedacht.Ist die Antwort also ein Ja? Es wird mehr solche Songs geben? Richtig, es muss nicht immer «chlepfe und donnere», ich habe selbst grosse Freude am Song, es soll mehr solches entstehen.Ich habe gehört, Sie seien Vater geworden. Ja, gerade ist Filipa aufgewacht. Sie ist am 12. Juli geboren und nun gut acht Monate alt.Stammt auch die Mutter aus dem Rheintal? Ja, Ann-Marie ist in Rebstein aufgewachsen. Wir besuchten zur gleichen Zeit in Heerbrugg die Kantonsschule.Ist Crimer nun als Hausmann tätig? Im Moment tatsächlich. Vor unserem Telefongespräch hatte ich eine gute Putzerei gestartet. Ich bin ziemlich ins Familienleben eingebunden, was sehr schön ist. Anfangs hatte ich zwar Mühe, alles unter einen Hut zu bringen, doch inzwischen bin ich viel entspannter. Ich singe viel beim Spazieren und baue so neue Lieder auf, statt – wie früher – mit Instrumentalklängen zu arbeiten.Sie sammeln also beim Spazieren neues Songmaterial. Sozusagen, ja. Das funktioniert nicht immer, aber einen ersten vom Spazieren mitgebrachten Song habe ich tatsächlich bereits zu verwerten begonnen.Ich habe gehört, Sie kochen auch gern. Sehr gern sogar. Ich würde mich zwar nicht als den ultimativ guten Koch darstellen, aber ich koche oft.Alles in allem tönt es für mich sehr danach, als würden Crimer-Songs nun deutlich fröhlicher. Was mir stets missfiel, ist das Komponieren fröhlicher Lieder, die schmalzig klingen. Darauf werde ich auch künftig gern verzichten. Am Schönsten ist es, wenn mir der Spagat zwischen Euphorie und Melancholie gelingt. Beides überzeugend zu vermengen, ist für mich sozusagen die Königsklasse. Ich gebe aber zu: Die fröhlichen Akzente auf meinem letzten Album sind zu meinen kleinen Lieblingen geworden.Gibt es neue Pläne oder ist daheim so viel zu tun, dass neue grosse Pläne sich verbieten? Zurzeit bin ich eher etwas planlos unterwegs. Ich habe zwei Alben eingespielt und somit eine Diskografie, auf die ich stolz sein kann und die mir Freude macht. Doch welches ist der nächste Schritt? Ich sehe da ein grosses Fragezeichen, das auch da sein darf, solange es mich nicht belastet. Letztlich ist ja alles klar: Es geht darum, Musik zu machen, möglichst viel.Was werden Sie nach diesem Gespräch tun? Ich führe die Putzarbeit zu Ende, indem ich versuche, der Küche den Feinschliff zu geben. Danach spaziere ich mit Filipa.Viel Spass, das Wetter ist ja prächtig. (Das Gespräch wurde am Dienstagvormittag, 22. März, geführt.)Hinweis: Crimer – «Fake Nails»-Tour; Kinotheater Madlen, am Mittwoch, 30. März, 20 Uhr.

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