23.10.2020

«Ich rufe keine Polizei»

Die Maskenpflicht in der Kirche durchzusetzen, kann ein Dilemma zwischen Seelsorge und Hausrecht bedeuten.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Die Verpflichtung, in der Pandemie eine Maske aufzusetzen, gilt seit knapp einer Woche auch in Gotteshäusern. Die katholische und die reformierte Kirche haben ihre Schutzkonzepte entsprechend angepasst. Weigert sich trotzdem ein Gottesdienstbesucher, eine Maske zu tra-gen, obliegt es dem Hausherrn, die Einhaltung der Verordnung durchzusetzen.Keinen Konflikt zu ihrer Rolle als Seelsorgerin sieht Leila Zmero, Pfarreibeauftragte in St. Margrethen. «Ich ginge mit einer Maske in der Hand auf den betreffenden Menschen zu und bäte ihn, sie aufzusetzen», sagt sie. Litt jemand massiv unter Atemnot, würde sie prüfen, ob es verantwortbar wäre, die Maske ein paar Minuten lang abzunehmen. In wenigen Ausnahmefällen kann ein Arzt eine Maskendispens erteilen.Stiesse die Pastoralassistentin auf Unverständnis, käme es für sie nicht in Frage, die Polizei zu rufen. «Dazu müsste ich erst eine Renitenz feststellen.» Derartiges sei in der Pfarrei aber noch nicht vorgekommen. Lieber würde Leila Zmero eine Person aus dem Volk bitten, sie zu unterstützen, den Maskenverweigerer oder die -verweigerin aus der Kirche hinauszubegleiten.Die Einstellung hat sich gewandeltLeila Zmero hat bereits am vergangenen Sonntag erste Erfahrungen im Gottesdienst gesammelt. Zwei Drittel der Besucher betraten die Kirche mit Maske, das übrige Drittel bediente sich an bereitliegenden. Die Seelsorgerin erwägt, einige spezielle Masken, die das Atmen etwas erleichtern, in der Sakristei zu deponieren und bei Bedarf auszugeben.«Die Einstellung gegenüber Schutzmasken hat sich in den letzten Wochen gewandelt», sagt die Pfarreibeauftragte. «Viele Rheintaler haben inzwischen verstanden, dass sie sich wie andere mit einer Maske schützen und sie gar nicht so sehr einschränkt.»In Vorarlberg gilt die Regel schon einige Zeit. «Ich war bei einem Besuch dort überrascht, wie gut und voll der Gesang in Gottesdiensten trotz Maske klingt», sagt Leila Zmero. Gestaltet ein Chor diesseits des Rheins einen Gottesdienst mit, müssen die Sängerinnen und Sänger ebenfalls Masken tragen. Lediglich zum Singen ziehen sie diese ab, halten aber einen Mindestabstand von zwei Metern nach vorne und 1,5 Metern zur Seite.«Wir halten die Kommunikation untereinander auch mit Maske aufrecht», sagt Leila Zmero. Das ist immer noch besser als es im Lockdown war. In der Zeit war sie nur am Telefon oder digital möglich.Eine Frage der Solidarität und Nächstenliebe«Ich fände es super, wenn wir den Betrieb durch solche Massnahmen aufrechterhalten und Gottesdienste feiern können», sagt Manuela Schäfer. Die Bernecker Pfarrerin ist Dekanin im Kirchenkreis Rheintal. Sie hat vor, mit dem Pfarrkapitel noch Details darüber abzusprechen, wie die Maskenpflicht im Konfliktfall durchgesetzt werden soll. Unmissverständlich gibt sie zu verstehen, dass die Kirche dem Gesetz unterworfen ist und sich an es zu halten hat. «Es ist eine Frage der Solidarität und Nächstenliebe», sagt Manuela Schäfer. «Wir sind Teil der Gesellschaft.»Bahnte sich in Berneck ein Konflikt mit einem Maskenverweigerer an, versuchte die Pfarrerin, die Person zu bewegen, freiwillig zu gehen. «Ich werde keine Polizei rufen, aber deutlich machen, dass es um Gefährdung und Rücksicht geht», sagt Manuela Schäfer. «Ich möchte niemanden der Kirche verweisen. Das wäre ein schlimmer Schritt.» Handelt es sich um ein seelsorgliches Anliegen, bittet die Pfarrerin zu einem Gespräch ins Pfarrhaus.Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Konflikt eintritt, sieht Manuela Schäfer als klein an. «Wir haben die Maskenpflicht schon ausprobiert, bevor der Kanton sie am Freitag letzter Woche einführte.» Die Kirchgemeinde wollte am Bettag möglichst vielen Menschen ermöglichen, am Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Ronald Kasper teilzunehmen. Sie machte von ihrem Hausrecht Gebrauch und erklärte Schutzmasken zu tragen als obligatorisch. Die Leute akzeptierten die Regel, die Atmosphäre war entspannt. «Jetzt ist nicht die Zeit für Diskussionen, sondern um zusammenzustehen.»

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