04.04.2019

«Ich musste jeden Tag umziehen»

Azam Khan machte sich in seinem Heimatland Bangladesch einen Namen als regimekritischer Blogger und Journalist. Doch seine wachsende Bekanntheit brachte ihn in Gefahr. Deshalb bat er auf der Schweizer Botschaft um Asyl und kam 2016 nach Altstätten.

Von Interview: Simone Kaiser
aktualisiert am 03.11.2022
Interview: Simone KaiserAzam Khan ist in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, aufgewachsen. Er studierte Anthropologie und Betriebswirtschaft. Noch während des Studiums merkte er, dass ihm der Journalismus eher entspricht. 2006 begann Azam Kahn über die Probleme der Gesellschaft in Bangladesch zu bloggen.Azam Khan, welche Themen hast Du konkret bearbeitet?Durch Aufklärung wollte ich vor allem religiösen Fundamentalismus entlarven. Innerhalb kurzer Zeit konnte ich darauf aufmerksam machen und gewann viele Leser. Daraufhin wurde ich von einer bekannten Zeitung angefragt, ob ich für sie Kolumnen schreiben würde. Es folgten weitere Jobs in der Branche. Als es darum ging, die Verantwortlichen der islamistischen Kriegsverbrechen von 1971 zur Rechenschaft zu ziehen, sprach ich mich dafür aus, dass die Regierung gerechte Urteile umsetzen soll. Im Jahr 2013 wurden die Verfahren beendet, aber die Strafen fielen nicht nur in meinen Augen viel zu milde aus.Was löste dieser Entscheid aus?50 Blogger, auch ich gehörte dazu, riefen zu den «Shahbag Protesten» auf. Millionen von Menschen gingen zum Demonstrieren auf die Strasse. Die islamischen Fundamentalisten fürchteten, dass sie ihre Macht verlieren würden. Daher töteten sie neun einflussreiche Blogger — alles enge Freunde von mir. Ich war in Gefahr und tauchte unter. Von da an lebte ich in ständiger Todesangst und wechselte täglich die Unterkunft. Nach drei Jahren der Flucht im eigenen Land war ich erschöpft und beschloss, verschiedene Botschaften um Asyl zu bitten. Die Schweizer Botschaft reagierte am schnellsten und verschaffte mir ein Visum.Wie lange bist Du nun in der Schweiz?Im Januar 2016 erreichte ich das Asylzentrum in Altstätten. Ich fühlte mich verloren und mir wurde bewusst, dass ich weder meine Eltern noch meine Freunde jemals wiedersehen würde. Ich fiel für ein Jahr in eine tiefe Depression. Ausserdem wartete ich über ein Jahr lang auf meine Aufenthaltsbewilligung B, die es mir erlaubt, einen bezahlten Deutschkurs zu besuchen. So lange hatte ich keine Aufgabe und eine Integration war ohne die deutsche Sprache schwer.Wie sieht Dein Leben heute aus?Nach langem Warten kann ich nun einen Deutschkurs besuchen und stelle fest, dass die deutsche Sprache sehr interessant ist. Der grösste Teil meines Lebens spielt sich momentan im Kurs ab.Was motiviert Dich, beim Medienprojekt #refujournalists mitzumachen?Ich war sehr interessiert, Journalisten in der Schweiz kennenzulernen, von ihren Erfahrungen zu lernen und zu verstehen, wie Journalismus in diesem Land funktioniert. Denn so unterschiedlich die Kulturen in verschiedenen Ländern sind, so unterschiedlich ist auch der Journalismus.Wie stellst Du Dir deine Zukunft vor?Mein Plan ist es, bis zum Sommer das Deutschniveau C1 abzuschliessen, vielleicht auch C2. Dann habe ich zwei Möglichkeiten; entweder arbeite ich, oder ich studiere nochmals. Weitere Pläne habe ich nicht. Es ist schwierig, Wünsche und Pläne zu haben, wenn man das Land nicht kennt und dadurch nicht abschätzen kann, welche Ziele realistisch sind. Was Bangladesch angeht, glaube ich daran, dass es eines Tages ein Land für jedermann sein wird.Anmerkung: Nach dem Interview ist Azam Khan von Heerbrugg nach St. Gallen umgezogen und hat dort ein Studium in «International Affairs» begonnen.

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