04.02.2020

«Ich muss kein Obersheriff sein»

Karin Nadig wechselt vom Schauspielfach auf den Regiestuhl. Sieben Mal stand sie selbst auf der Bühne.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Seit der Gründung vor zwei Jahrzehnten macht die 41-Jährige bei der St. Margrether Theatergruppe Heldsberg mit. Der Verein ging aus dem Skiclub hervor, dem Karin Nadigs Eltern Ernst und Cécile noch heute angehören. Wie die Tochter setzen sie sich auch für die Theatergruppe ein – in der Festwirtschaft, bei der Abendkasse. Cécile Nadig stellte früher Requisiten her, ihr Gatte spielte einst, in jungen Jahren, selbst Theater.Nur Karin Nadig wollte Katharina seinKarin Nadig fing mit einer Rolle auf der Bühne an, half dann fünf Jahre in der Festwirtschaft, soufflierte einmal und stand nachher regelmässig auf der Bühne, sieben Mal bereits.In einer weiblichen Hauptrolle sah man sie 2011, im Stück «Katharina, die Kühne». Es hatte Jahre vorher auf dem Plan gestanden, aber niemand wollte damals Katharina spielen.Nachdem Karin Nadig am Fernsehen die bekannte Schauspielerin und Komikerin Ursula Schäppi in der Rolle Katharinas gesehen hatte (neben Walter Andreas Müller), schlug sie vor, die Produktion auch in St. Margrethen zu zeigen. Sie selbst war bereit, in die weibliche Hauptrolle zu schlüpfen.Zwar spürte Karin Nadig reichlich Druck – einen sich selbst auferlegten. Doch sie ist nicht erst seit jener Rolle vom Theatervirus infiziert, hat Heldsberg-Herzblut, war auch schon sechs Jahre lang Kassierin im Verein.Auch ausserhalb des eigenen Vereins sieht sie begeistert anderen beim Spielen zu – im Stadttheater, ab und zu in Bregenz, auf den Bühnen anderer Vereine. Etwa jeden zweiten Monat sitzt sie irgendwo im Publikum. Ihre Mutter hatte früher während Jahren ein Abonnement fürs Stadttheater, Karin Nadig durfte sie gelegentlich begleiten.Ihr Partner verpasste den Zeitpunkt der RückkehrBange Augenblicke kennt die Freizeitsportlerin, die wandert, joggt, mit Bike und Skiern unterwegs ist, von dem Stück «Die Kaktusblüte». Als Schauspielerin mit ziemlich grosser Rolle erhielt sie zusammen mit Peter Grundlehner Szenenapplaus, doch als der Beifall endete, fiel jeder aus der Rolle, Karin Nadig weiss gar nicht, weshalb. Sie hatten beide plötzlich ihren Text nicht mehr präsent, für einen Augenblick zumindest, doch sie konnten sich aus dieser Situation befreien, irgendwie gelang es ihnen.Etwas später, nachdem ihr Partner für kurze Zeit die Bühne verlassen hatte, verpasste er den Zeitpunkt seiner Rückkehr. Karin Nadig stand verloren da, gefühlte fünf Minuten, dabei ging es nur um einige Sekunden. Heute lacht sie: «Sicher hat das Publikum es nicht einmal gemerkt.»In einem Regiekursviel gelerntFür «Gülle, Mischt und Schönheitskur», das neue Stück der Heldsberg-Truppe, hat Karin Nadig auf den Regiestuhl gewechselt. Um ihre Aufgabe bestmöglich zu meistern, hat sie in Weinfelden einen Regiekurs des Zentralverbandes Schweizer Volkstheater besucht, der sich über zwei Wochenenden erstreckte. Anhand des Stücks «Der Revisor» wurde alles durchgenommen, was für die Regie von Relevanz ist: Stückauswahl, Besetzung der Rollen, Musik, Bühnenbild, Probeplan, Führungsaufgaben und manches mehr.Sie habe viel gelernt, sagt Karin Nadig, die bei einer Bank beschäftigt ist, und sei mit viel Respekt an ihren neuen Job herangegangen. Der Blickwinkel sei nun viel grösser als der einer Schauspielerin, wer leitet, muss auch willens sein, «aus der Komfortzone herauszutreten, sich durchzusetzen, Entscheide zu fällen und sie zu vertreten», sagt Karin Nadig.Einen Plan Bgibt es nichtDie Freude an den Menschen «steht im Vordergrund», und selbstverständlich sei man selbst auch nur ein Mensch. Will heissen: Hat man zwischendurch mal falsch entschieden, kann man ja auch dazu stehen.«Ich muss nicht der Obersheriff sein», sagt Karin Nadig, was sich mit dem Wilden Westen und Western-Stars wie Clint Eastwood assoziieren lässt. Wie Karin Nadig wurde er nach seiner Schauspielkarriere Regisseur. Vor drei Jahrzehnten wirkte Eastwood während einer kurzen Zeit als Bürgermeister, Karin Nadig ist in ihrem Wohnort Mitglied in der GPK der Ortsgemeinde.Vor ein paar Jahren gab es die «Probier’s-mal-Gruppe» beim Theater Heldsberg. Jeden Dienstag konnte jeder ausprobieren, was Theaterspielen heisst. Tatsächlich stieg auf diese Weise jemand ein, und für das aktuelle Stück gewann die Gruppe weitere zwei Mimen. Unter dem «Probier’s-mal»-Motto ist auch Karin Nadig als die neue Regisseurin tätig.«Gülle, Mischt und Schönheitskur» ist ein auf eine gute Stunde reduziertes Stück, der Rahmen insgesamt bescheidener als sonst und die Beschränkung selbstgewählt. Das Bühnenbild war allerdings nicht leicht zu bauen, die Umgebung ist im Schulhaus Wiesenau ganz neu.Die Schauspielcrew besteht aus je drei Männern und Frauen; sollte jemand unverhofft nicht spielen können, wäre kein Plan B vorhanden. Mit der Regisseurin sind es sieben Hauptakteure, und erneut ist die gedankliche Verbindung mit dem Wilden Westen möglich, einem Klassiker des Genres, den «glorreichen Sieben.» Jene aus St. Margrethen ziehen auf Heldsberg-Gruppenfoto keine Colts; sie springen hoch und machen Lust auf gute Lustspiellaune.Gülle, Mischt und Schönheitskur: Schulhaus Wiesenau, 28. und 29. Februar (20 Uhr)

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