06.07.2021

«Ich möchte motivieren, statt zu moralisieren»

Der Journalist und Kinderbuchautor Stephan Sigg ist in Rheineck aufgewachsen. Mit der Kinderbuchfigur Lena, die sich möglichst umweltfreundlich verhalten möchte, hat er Erfolg.

Von Bettina Kugler
aktualisiert am 03.11.2022
Käme Lena zufällig am Klosterbistro im St. Galler Stiftsbezirk vorbei, würde sie vielleicht wissen wollen, ob unser Kaffee bio ist und fair gehandelt. Nachgefragt haben wir nicht bei der Bestellung – Erwachsene wissen zwar viel, handeln aber dennoch oft inkonsequent. Ganz so verbissen ist auch Lena nicht: das Mädchen, das Stephan Sigg, Autor, Journalist und Co-Leiter des Ostschweizer Jugendbuchverlags da bux, vor zwei Jahren erfunden hat. «Kein Plastik für den Wal» war Lenas erster Auftritt, in einem Buch für Leseanfänger ab acht Jahren. «Die grosse Resonanz bei Lesungen hat mich selbst überrascht», sagt Sigg, der mit seinen Kinder- und Jugendbüchern und Schreibworkshops oft in Schulen zu Gast ist. So folgte bald Band Zwei, eine Geschichte über krumme Gurken und unnötige Verschwendung von Nahrungsmitteln. Das Thema Zerowaste hatte Stephan Sigg bereits im Blick, als Unverpacktläden noch eine Seltenheit waren. Es dauerte eine Weile, bis er beim Verlag Camino auf Interesse stiess, einem Imprint des Katholischen Bibelwerks Stuttgart. Der Verlag hat einen Schwerpunkt auf spirituellen Themen und Lifestyle, doch ohne deutliche konfessionelle Ausrichtung. Sigg kommt das entgegen; missionieren will er nicht. Im Frühjahr ist bereits der dritte Band erschienen: Diesmal geht es um nachhaltige Ferien am Bodensee. Sympathisch ist, dass in den Lena-Büchern Kinder den Erwachsenen zeigen, wie umweltfreundliches Verhalten geht. Im Vordergrund steht die Geschichte; klar aber wird dabei: Jeder kann etwas beitragen. Mit dem Nachtzug reisen etwa. Sparsam packen, keine Abfälle liegenlassen, sich auf die Gegend einlassen. Für ihn selbst ist der Bodensee die Kindheitslandschaft. Aufgewachsen ist der heute 38-Jährige in Rheineck; die Grosseltern hatten einen Bootsverleih im Bregenzer Hafen. Dort war er oft, ebenso in Lindau oder am Affenberg in Salem. «Im Dreiländereck spürt man eine zusammenhängende Region», sagt er, «die Grenze ist normalerweise kaum wahrnehmbar. Das ist ein spannendes Lernfeld für Kinder.» Die Zeit der Recherche und des Schreibens fiel ausgerechnet in die Coronamonate, als Reisen rund um den See nicht mehr selbstverständlich war. So musste Stephan Sigg viel online recherchieren – und in Erinnerungen in seine Kindheit zurückreisen. Der frischen, kindlichen Perspektive der Geschichte kommt das zugute. Und gerade jetzt haben Ferien in der näheren Umgebung Konjunktur.  Hätte er auch ein Jugendbuch über Nachhaltigkeit schreiben können? Der Zugang wäre ihm nicht so leicht gefallen. Den Ton für Jugendliche zu treffen, sei wesentlich schwieriger, man könne nicht so leicht an ihren Alltag andocken. Auch bei Lesungen merkt er, dass sie weniger offen sind als Kinder im Primarschulalter. «In letzter Zeit stelle ich fest, dass sich viele in herkömmliche Lebensrollen wünschen. Manche fragen mich: Haben Sie oft Existenzängste? Ihnen sage ich: Bleibt beweglich. Traut euch, euren eigenen Weg zu gehen.» Kleine Schritte sind besser als keine. Seine Figur Lena merkt das von selbst. 

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