06.12.2020

«Ich hatte doppelt Glück in diesem Jahr»

In manchen Branchen liess sich trotz Coronakrise gut verdienen. Durch die Pandemie veränderten sich Kaufverhalten und Kundenwünsche.

Von Andrea C. Plüss
aktualisiert am 03.11.2022
Vor zwei Jahren hatte Philip Schlegel alles auf eine Karte gesetzt. Er wagte den Sprung in die Selbstständigkeit und eröffnete eine Werbeagentur in Hinterforst. Als im März der Lockdown kam, fürchtete er bereits wieder um seine Existenz. «Zwei Wochen war ich psychisch in einem Loch», sagt der 40-Jährige. Die Unsicherheit habe ihn sehr belastet. Webseiten und Social-Media sind die RennerDoch bald schon erwiesen sich die Einschränkungen des Lockdowns für ihn unternehmerisch als Glücksfall. «Seit Ende März ging es nur noch aufwärts», sagt Schlegel, der mit drei Freelancern zusammenarbeitet. Täglich erhalte er neue Kundenanfragen. Vor allem Webdesign und Social Media seien gefragt, sagt der Einzelunternehmer. Die Schliessung der meisten Läden im Frühjahr veranlasste viele Firmeninhaber, die Gestaltung eines Online-Auftritts oder Social-Media-Kampagnen auf Instagram, Facebook oder Linkedin in Auftrag zu geben. Manche liessen ihre bestehende Webseite überarbeiten oder beauftragten Schlegels Agentur mit der Erarbeitung eines Komplettauftritts.Die Kunden der Hinterforster Werbeagentur kommen nicht nur aus dem Rheintal, sondern auch aus Graubünden und dem Kanton Zürich. «In der Region habe ich in diesem Jahr 28 Neukunden gewinnen können», so der Werber. Beim Umsatz konnte Philip Schlegel gut 40 % gegenüber dem Vorjahr zulegen. «Ich hatte doppelt Glück in diesem Jahr», sagt er und meint damit zum einen den unternehmerischen Erfolg, den ihm die Coronakrise bescherte, und zum anderen die Geburt von Sohn Noé am 8. Mai. Dem neuen Jahr sieht Philip Schlegel beruflich und privat mit grosser Zuversicht entgegen.Über zahlreiche Aufträge für Webseiten-Gestaltung, Firmenauftritte und Online-Marketing-Kampagnen darf sich auch Sacha Sapra freuen, der bereits seit Jahren mit seiner Werbeagentur in Balgach am Markt etabliert ist. «Wir haben dieses Jahr doppelt so viele Webseiten wie letztes Jahr erstellt, sagt er. Im Online-Bereich habe er deshalb Personal aufgestockt, um «langfristig allen Kunden den gewohnten Service bieten zu können». Als Full-Service-Agentur spürt Sapra die Corona-Situation hingegen auch negativ: Einnahmen aus dem Eventbereich sind weggefallen.Unter dem Strich jedoch zieht der Werbeprofi eine positive Bilanz: «Geschäftlich war 2020 ein gutes Jahr und 2021 wird ein sehr gutes Jahr – wir rechnen damit, dass es vor allem online viele Projekte geben wird und Events wieder stattfinden dürfen».Lebensmittelbranche ist krisenresistent«Wir gehen an die Grenzen der Machbarkeit». Der Slogan findet sich auf der Webseite der Säntis Packaging AG. Er bezieht sich auf die Innovationsfähigkeit des in Rüthi ansässigen Verpackungsspezialisten. Das Rheintaler Technologieunternehmen entwickelt und produziert Lebensmittelverpackungen, solche für Tiernahrung, ist Kapselhersteller und Spezialist für Verschlusssysteme. Als Zulieferer der Lebensmittelindustrie bewegt sich das Unternehmen nach anfänglicher Unsicherheit im Frühjahr auch ganz praktisch in einer Art Grenzbereich. Das Geschäft brummt und es könnte wohl noch mehr laufen. «2020 wird zu einem der umsatzstärksten Jahre der Firmengeschichte», sagt Inhaberin und CEO Bettina Fleisch. Verpacken, beschriften, entwickeln, verschliessen: Die Säntis Packaging AG wird 2020 als eines der umsatzstärksten Jahre der Firmengeschichte abschliessen. (Bild: Etikettenproduktion auf Instant-Food Deckeln/pd)Durch die Lockdown-Massnahmen in den Abnehmerländern sei der Heimkonsum von Lebensmitteln sehr stark angestiegen, so Fleisch. Einmal mehr habe sich die Lebensmittelbranche als «krisenresistent» erwiesen. Doch selbst bei der Säntis Packaging AG findet sich ein Wermutstropfen. Bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden, die bereit sind, im Schichtdienst zu abreiten, harzt es. Bettina Fleisch sagt konkret: «Zu unserer grossen Enttäuschung konnten wir auch Personen in Kurzarbeit nicht motivieren, ihre Ausfälle bei uns zu kompensieren.» Für die ersten beiden Quartale 2021 erwartet das Unternehmen einen anhaltend hohen Absatz, dann eine Normalisierung auf  «Vor-Covid-Niveau». Einzige Erschwernis: viel ArbeitStellt man sich die Frage, wer wirtschaftlich während der Coronakrise profitiert, kommt man an Firmen, die Hygieneprodukte vertreiben, nicht vorbei. Eine solche Firma befindet sich in Diepoldsau. Patrick Weder führt die GmbH als Geschäftsführer bereits seit zehn Jahren. Er sagt: «Es war ein anstrengendes Jahr, aber es gibt ein gutes Gefühl, zu helfen». Auf das Bild eines golden leuchtenden Herbstwaldes treffen Interessenten, die den Online-Shop seiner Firma besuchen. Dazu der Hinweis «Covid-19 Essentials». Desinfektionsmittel, Handschuhe, Masken, 1500 Artikeln umfasst das Sortiment. Im Online-Shop können sich auch Privatpersonen eindecken. Beliefert werden in grossem Stil Heime, Spitäler, Banken und die Industrie.  Seit Sommer im Sortiment der auf den Vertrieb von Hygieneartikeln spezialisierten Firma: Die berührungslose Desinfektionssäule. (Bild: pd) Zehn Mitarbeiter sind in Diepoldsau beschäftigt; zuletzt im August hat Weder nochmals einen neuen Mitarbeiter eingestellt. Teilzeit-Mitarbeiter hätten ihre Pensen zudem aufgestockt. Die Nachfrage sei seit März enorm gestiegenen. Da das Rheintaler Unternehmen sein Desinfektionsmittel immer schon in der Schweiz bezog, ergab sich im Lockdown ein Vorteil gegenüber denjenigen Mitbewerbern, die sich vorher im Ausland eingedeckt hatten. Als langjähriger Kunde sei er da natürlich im Vorteil gewesen, so Weder. Auch bei den Masken und den Säulen der Desinfektionsspender setzt Weder auf inländische Partner, der Qualität zuliebe. «Ich habe sicher dreimal so viel Umsatz gemacht wie im Vorjahr», sagt Weder. Er erwartet für 2021 ein ähnliches Umsatzvolumen. «Covid wird bleiben», ist er gewiss.

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