14.01.2020

«Ich gehe immer noch ‹ins Dorf›»

Kuno Bonts Film «Home Run» zeigt, wie Buchserinnen und Buchser die Schwelle von Dorf zu Stadt wahrnehmen.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Remo Zollinger«Die Menschen, nicht die Häuser machen die Stadt»: Mit der Einblendung dieser Worte beginnt der Film. Es folgt eine Szene, die zum Nachdenken anregt, untermalt mit martialischen Rock-Klängen. Arbeiter platzieren in der Bahnhofstrasse Sperren zur Sicherung der Menschenmengen.Buchs’ Stadtpräsident Daniel Gut sagt, man müsse sich den Gegebenheiten anpassen. Anschläge mit Autos, die Menschen überfahren, gab es in den letzten Jahren oft. Zwar nicht in der Schweiz, aber auch nicht allzu weit davon entfernt. Wie real die Gefahr hier wirklich ist, ist in diesem Kontext unerheblich: Es geht um das Sicherheitsempfinden der Menschen.Weltpolitik in einer Schweizer Kleinstadt.Ob in Buchs, Altstätten, dem Mittelrheintal oder in kleineren Gemeinden: Das Sicherheitsbedürfnis ist da, in den letzten, durch Instabilität geprägten Jahren gestiegen. Und es zeigt, dass Weltpolitik auch Stadt- oder Dorfpolitik ist. Aber das ist nur ein Teil von «Home Run».Ist Buchs noch ein Dorf oder doch eine Stadt?«Ich sage halt immer noch, ich gehe ins Dorf, auch wenn es eine Stadt ist», sagt eine Protagonistin. Sie zeigt so das Spannungsfeld, dem Kuno Bont sich widmet. Buchs liegt an der Grenze, hat einen wichtigen (früher bedeutenderen) Bahnhof, über 12500 Einwohner. An der Bahnhofstrasse gibt es internationale Marken; McDonalds, Fielmann, H & M. Es gibt das Technikum, wo renommierte Professoren unterrichten und sie künftige Fachkräfte ausbilden.Und doch ist Buchs in den Köpfen der meisten Einwohner ein Dorf. Kuno Bont ist es gelungen, Menschen zu porträtieren, die etwas mit Buchs verbinden. Allen voran Stadtchronist Hansruedi Rohrer, der erst kauzig wirkt, dann aber immer sympathischer, humorvoller. Er ist Buchs’ historisches Gedächtnis und immer dabei, wenn die Stadt etwas eröffnet oder feiert.Die Menschen stehen im Film im Mittelpunkt. Vor dessen Aufführung im Kinotheater Madlen bat Kuno Bont die Besucher, besonders gut hinzuschauen, nachdem die Protagonisten gesprochen haben, weil das Gesicht oft mehr über jemanden verrate als das Wort. «Der Film gibt den Menschen Zeit, sich zu entfalten», sagt Bont. Es sei kein Actionfilm, sondern eine Gesellschaftsstudie.Eine, die den Wandel dokumentiert, auch das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne anreisst. Perfekt auf den Punkt gebracht hat dieses der Filmausschnitt, in dem ein älterer Mann den Räfiser Funken mit dem Handy fotografiert.Oder der Ausschnitt, in dem der in Buchs arbeitende und aus Eichberg stammende Architekt Paul Haltinner über seine Projekte spricht – von der Seilbahn zum Schloss Werdenberg oder einem 36-stöckigen Hochhaus. Gehör habe er bei der Stadt nicht gefunden. Wenn in der Filmkritik steht, der Streifen sei «ehrlich», sind damit genau solche Geschichten gemeint. Oder die eines Vaters einer Migrantenfamilie, der sagt, er wolle «reich» werden.Kuno Bont musste sich der Qual der Wahl stellenFragen hatten die Besucher in Heerbrugg nur wenige, Bont bekam Anregungen. Ein Altersheim habe gefehlt, sagte eine Zuschauerin, eine andere vermisste die katholische Kirche.Auch Randständige kamen nicht zu Wort. «Das wäre mir zu banal, zu sensationslüstern gewesen», sagt Bont. Und sowieso: Er habe nach 60 Interviews die Qual der Wahl gehabt, wen er zeigen möchte. Vielleicht bedeutet diese Anzahl Möglichkeiten auch, das Buchs eben doch eine Stadt geworden ist.HinweisAm Freitag, 17. Januar, 18 Uhr, zeigt das Kinotheater Madlen den Film «Home Run» nochmals.

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