Es sei keine falsche Bescheidenheit, sagt Francisco Obieta, doch er sei ehrlich überrascht und dankbar. «Solche wie mich gibt es viele», sagt der gebürtige Argentinier. «Auch andere hätten den Preis verdient.» Jemand fragte ihn, ob er sich anmeldete, um nominiert zu werden. «Anmelden?», wunderte sich Obieta. «Ich wüsste nicht wo.» Als ihn eine Vertreterin der Kulturstiftung anrief, vermutete er zuerst eine Auftrittsanfrage. «Tango oder Klassik, was wünschen sie?» Er musste sich jedoch nur ein Datum vormerken. 17. Mai, den Tag der Preisübergabe. Dies ist für ihn der bisher wichtigste Preis, den er in seiner musikalischen Laufbahn entgegennehmen darf. Das Schaffen von Francisco Obieta zeichne sich aus durch ein beständig hohes Niveau und verdiene dadurch Bestätigung, begründet der Altstätter Meinrad Gschwend, Stiftungsrat der Kulturstiftung, die Preisvergabe. Der geviertelte Musiker
Seit 31 Jahren ist Francisco Obieta im Kanton St. Gallen tätig. Sein Berufsprofil lässt sich vierteilen. Er ist Instrumentalist, Komponist, Dirigent und Pädagoge. Ständig bewege er sich von einem Bereich in den nächsten, was wünschenswerte Synergien verursache. «Ich glaube, ich kann besser dirigieren, weil ich auch Stücke schreibe.» Er überlegt und wählt seine Worte mit Gefühl: «Ich bin ein Verliebter – in die Kultur.» Ob er das Orchester der Uni St. Gallen leitet oder ein Projekt mit Behinderten probt, eine Kinderoper schreibt oder sich dem Tango zuwendet, er hat die Gabe, verschiedene musikalische Elemente und Menschen zusammenzubringen. In Heerbrugg erinnern sich die Mitglieder des Musikvereins an ihn, deren Dirigent er von 2012 bis 2016 war. Auch die Jungmusik Oberriet profitierte 2011 von seinem Wissen, und anlässlich der Maiblüten 2014 trat er bei einem regionalen Kulturanlass auf. Während der Woche ist Francisco Obieta meist als Professor am Vorarlberger Landeskonservatorium für Kontrabass, Kammermusik und Komposition tätig. Die langen Tage, an denen er von morgens bis abends unterrichtet, scheinen ihm nichts auszumachen. «Ich empfinde es anregend, mit den Studenten zu arbeiten», sagt Francisco Obieta. In der Familie vermischten sich Kulturen
Er spricht Hochdeutsch mit Akzent, ist mit seiner Grammatik aber nicht sonderlich zufrieden, obwohl er charmant und einnehmend erzählt. In seinem Elternhaus in Buenos Aires wurde sprachliche Vielfalt gepflegt. Italienisch von der Mutter, sie ist 91. Spanisch sprach der baskische Vater, französisch die Grossmutter. Bei Aufenthalten in Brasilien lernte Francisco Obieta portugiesisch. Als universale Sprache war Musik allgegenwärtig. Das erste Instrument, mit dem er in Berührung kam, war die Gitarre. Während den Jahren an einer Knabenschule, unterrichtet von katholischen Priestern, lernte er weitere Instrumente zu spielen wie Geige und Cello. Als Teenager spielte er in Bands am Bass zu Beatles-Songs. An seine Kindheit und Jugend hat er nur gute Erinnerungen. In den Jahren der Ausbildung studierte Francisco Obieta zunächst Agraringenieur, was naheliegend war durch die Arbeit des Vaters, der als Verwalter grosser Farmen tätig war. Als Bub begleitet Francisco Obieta seinen Vater manchmal zu Pferd. «Ich ritt, bevor ich Velo fahren konnte».
Später begann er ein Kontrabass- Studium. «Je mehr ich Musik machte, desto mehr kam ich in den Genuss des musikalischen Prozesses und der Kunst.» Ein Zufall führte ihn in die Schweiz
Mit 25 Jahren hatte er bereits zwei Abschlüsse in der Tasche, war aber unsicher, wohin der weitere Weg führen sollte. Bei der Entscheidungsfindung half ihm ein Zufall. Musiker der Yehudi Menuhin Akademie hörten ihn bei einem Auftritt spielen und ihr Leiter lud ihn ein in die Schweiz. Obieta erhielt ein Stipendium und kam nach Gstaad. Nach einigen Jahren auf Tournee mit dem Kammerorchester in vollen Sälen, blieb Francisco Obieta schliesslich in der Schweiz. Der Liebe wegen. Er heiratete eine Bernerin, ebenfalls Musikerin, und zog mit ihr und den gemeinsamen zwei Kindern nach St. Gallen. Beim Sinfonieorchester war er mehr als 20 Jahre Solobassist, seit 1991 hat er die Professur am Vorarlberger Landeskonservatoriums inne. In Au wohnt er seit 2008, inzwischen geschieden, um seine Arbeitsorte Feldkirch und St. Gallen rasch zu erreichen. Doch nicht nur praktische Gründe sprechen fürs Rheintal, hier fühlt er sich wohl.Begleitet von philosophische Fragen
Francisco Obieta schätzt sich glücklich, dass er mit der Musik eine Tätigkeit ausüben darf, «bei der ich den Kopf verlieren kann.» Auch seine Tochter Joana hat einen musikalischen Weg eingeschlagen. Sie ist Jazzsängerin und studiert in den USA, der Sohn Fernando ist Masterstudent an der Zürcher Hochschule der Künste. Francisco Obieta freut sich, mit ihnen kreative und musikalische Aspekte zu teilen. «Aber ohne Druck. Als Eltern will man die Kinder glücklich sehen.»Selber treibt Francisco Obieta eine grundsätzliche Frage bei seiner Arbeit an: Warum mache ich Musik? Ohne zu zweifeln, aber er setzt sich mit seiner Funktion des Musizierens auseinander. Ein Buch von Hanns Eisler liegt griffbereit auf dem Esstisch, ein musiktheoretisches Werk. «Wer nur von Musik etwas versteht, versteht auch von dieser nichts», zitiert Francisco Obieta. Er möchte keine elitäre Kultur machen. «Musik ist die erste Sprache des Menschen. Es beginnt damit, wenn wir melodiös mit einem Baby sprechen, was tiefe, bleibende Reflexe verursacht. Mit positiver und negativer Wirkung.» Er lacht ein klangvolles Lachen. Eine positive Wirkung erzielt er gewiss, wenn er am 17. Mai den Anerkennungspreis entgegen nehmen darf. Francisco Obieta wird nicht nur als Gast anwesend sein. Er spielt auch auf dem Kontrabass. Ein Stück, eigens für den Anlass komponiert.