18.09.2020

«Ich bin die erste Inspektorin im Land»

Andrea Schöb aus Staad ist Feuerwehrinspektorin des Kantons St. Gallen und erste Frau im Land auf diesem Posten.

Von Kurt Latzer
aktualisiert am 03.11.2022
Seit dem 1. September ist Andrea Schöb Feuerwehrinspektorin des Kantons St. Gallen. Die Mutter vier erwachsener Kinder ist ebenfalls SP-Kantonsrätin. Neben ihrem Beruf als Kauffrau engagierte sie sich in der Feuerwehr. Im Jahr 2016, nach ein paar Jahren der Selbstständigkeit, trat sie eine Stelle im Kommando für Feuerwehr und Zivilschutz der Stadt St. Gallen an. Dort war sie Bereichsleiterin Finanzen und Dienste. Sie lernte die Feuerwehr auch von der beruflichen Seite kennen. Als die Inspektorenstelle ausgeschrieben wurde, fragten sie Leute aus der Stadtverwaltung und der Gebäudeversicherung an, ob sie sich vorstellen könne, den Job zu übernehmen. Sie sagte zu.Wie kamen Sie als 20-Jährige zur Feuerwehr: in eine reine Männerwelt?Andrea Schöb: Ich wuchs auf einem Bauernhof auf und interessierte mich früh für Technik, arbeitete auch gern körperlich. Deshalb wollte ich ursprünglich Huf- und Fahrzeugschmied werden. Den Lehrvertrag schon vor Augen, entschied ich mich doch für eine KV-Lehre bei Frisco Findus in Rorschach. Dort kam ich erstmals mit der Feuerwehr in Kontakt.Was gab den Ausschlag, sich für den Dienst zu melden?Wir hatten Personalmangel in der Betriebsfeuerwehr. 1991, nach absolvierter Rekrutenschule, fing mich der Kommandant der Betriebsfeuerwehr ab und sagte: «Du wärst doch eine für die Feuerwehr.» Obwohl damals noch keine Frauen in den Wehren Dienst leisteten, entschied ich mich, mit einer Kollegin, in die Feuerwehr einzutreten. Sie in der Zentrale, ich im sogenannten Vollschutz als einfacher Feuerwehrsoldat.Erst einfacher Feuerwehrsoldat, dann Offizier und später Instruktorin. Wie steil war die Karriereleiter?Andrea Schöb lächelt. Ich legte keine Blitzkarriere hin. Unteroffizier wurde ich 1995. Damals hiess es im Kommando: «Wenn sie schon im Militär als Unteroffizier vorgeschlagen wurden, können auch wir sie für die Ausbildung zum Unteroffizier anmelden». Bis zur Instruktorin durchlief ich wie alle Angehörigen der Feuerwehr die ganze Ochsentour von Grund auf. Vom Kurs für Neueingeteilte, Maschinisten, an der Motorspritze, für Tanklöschfahrzeuge und Hubretter. Später folgte der Offizierskurs, danach die Ausbildung zur Feuerwehrinstruktorin. Dies bin ich seit 16 Jahren.Welche Erfahrungen sammelten Sie mit männlichen Kollegen?Die Arbeit faszinierte mich gleich. Es zog mir den Ärmel so richtig rein, wie man sagt. Die Erfahrungen mit den Männern, und später bei der Feuerwehr Thal, waren meist positiv. Als frischgebackener Unteroffizier gab es Männer, denen es Mühe bereitete, von einer Frau Befehle entgegenzunehmen. Einen weniger schönen Vorfall behalte ich in Erinnerung: Ein Materialwart glaubte, sich permanent querstellen zu müssen, sobald ich etwas anordnete. Zum Glück hatte ich damals einen guten Kadi. Er nahm den Mann so richtig ins Gebet, verdeutlichte ihm die Stellung und Aufgabe eines Offiziers. Es wurde besser. Als Instruktorin unterband ich die Anmache einzelner Männer sofort und rigoros. Ich fühle mich wohl in der Männerwelt, akzeptiert, respektiert.Mussten Sie als Frau mehr leisten als Männer, um akzeptiert zu werden?Ganz klar. Fehler durfte ich mir keine erlauben. Sie hätte man mir nicht verziehen. Meine Arbeit beobachten alle Kollegen mit Adleraugen. Das mag ein Grund für meinen Perfektionismus sein. Ich bereitete mich in einzelnen Punkten sorgfältig vor und bildete mich stets weiter. Vor einem Motorspritzenkurs beispielsweise ging ich zwei Tage lang zu einem Garagisten, um Motor und Technik genau kennenzulernen. Das machte kein Mann.Sie sind die erste Feuerwehrinspektorin in der Schweiz. Wie fühlen Sie sich in dieser noch raueren Männerwelt?Als erste Frau diesen Posten zu bekleiden, ist für mich nichts Besonderes. Im Laufe meiner Feuerwehrlaufbahn war ich der erste weibliche Unteroffizier, Offizier und die erste Instruktorin. Heute akzeptieren Männer die Frauen besser. Ihre Haltung hat sich deutlich gelockert. Die meisten Feuerwehrmänner haben bemerkt: Frauen sind keine Bedrohung, sondern eine Ergänzung. Es gibt Arbeiten und Situationen, in denen stehen Frauen am Anschlag. Andere Aufgaben hingegen beherrschen Frauen besser.Welche zum Beispiel?Frauen sind im Zwischenmenschlichen besser. Der Ton ist in der Feuerwehr im Vergleich zu anderen Gremien heute noch rauer. Das mag daran liegen, dass dort mehr Frauen vertreten sind. Männer kommunizieren anders, direkter. Damit sollten Frauen umgehen lernen.Bleibt bei all Ihren Aufgaben Zeit für Hobbys und für Erholung?Ich dirigiere die Jugendmusik Young Winds Rorschach-Goldach-Mörschwil. Das ist mein grosses Hobby. Wir haben in der Formation 34 junge, coole Leute im Alter von elf bis 22 Jahren. Die Musik ist meine Leidenschaft und meine Akkuladestation. Ich war 26 Jahre Mitglied der Musik Melodia Goldach. Danach leitete ich zehn Jahre die Knabenmusik Herisau. Mein Mann Thomas ist ebenfalls Musikant. Über dieses Hobby haben wir uns kennengelernt. Erholung finde ich in den Bergen, bei Wanderungen und Hochtouren. Im Garten kann ich mich entspannen. Alles Maschinelle, erledigt einer meiner Söhne, alles was mit Jäten zu tun hat, die Mutter.

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