Als Bestäubungsinsekten dienen Hummeln schon lange - wie die Bienen, die für den Gemüsebaubetrieb ebenfalls unterwegs sind. Doch die Bienen fliegen erst bei einer Temperatur von 10 bis 12 Grad, die Hummeln tun das schon bei 6 bis 8 Grad. Bei kühlem Wetter ist es somit ein Vorteil, auf die Hilfe von Hummeln zählen zu können.Hummeln bringen Pulver zu den BeerenAuf dem Fahrmaadhof haben die Hummeln dieses Jahr zum ersten Mal eine wichtige zusätzliche Aufgabe. Verlassen die Tiere ihr Nest, werden sie durch eine Schale gelotst, in der sich ein mehlartiges Pulver befindet. Das Pulver enthält Sporen des in der Natur vorkommenden Nützlingspilzes Clonostachys rosea, ein wenig Mehlstärke und vor allem Mineralstoffe, die das Pulver trocken halten. Die Hummeln tragen den Clonostachys rosea zu den Erdbeerblüten, wo er vor krankheitserregenden Pilzen schützt.[caption_left: Das Pulver besteht zu 5 Prozent aus nützlichen Pilzsporen. Ausserdem enthält es ein
wenig Mehlstärke und vor allem Mineralstoffe, die das Pulver trocken halten.]Indem die Insekten das natürliche Schutzmittel direkt zur Blüte bringen, werde es sehr präzis eingesetzt, sagt Simon Lässer, Geschäftsführer des Fahrmaadhofs. Bei dieser Methode sei zudem keine Feuchtigkeit im Spiel, und der Boden werde nicht durch Maschinen verdichtet.Im Kanton der einzige VersuchsbetriebIm Kanton St.Gallen ist der Fahrmadhof als einziger Betrieb an den derzeit laufenden Versuchen mit Hummeln beteiligt. Auch bei den Buschbohnen wird nach dem gleichen Prinzip verfahren, und im nächsten Jahr gedenkt der Diepoldsauer Betrieb den Versuch auf Heidelbeeren auszuweiten.Simon Lässer, der sein Agrarstudium an der ETH Zürich mit einem Master abgeschlossen hat, erhofft sich viel von fortschrittlichen Pflanzenschutzkonzepten, die es erlauben, die Menge chemischer Mittel stark zu verringern. Der Einsatz von Hummeln für den Pflanzenschutz erachtet er dafür als gutes Beispiel. Entwickelt hat die neue Technik das kanadische Unternehmen BVT Bee Vectoring Technology, das 2012 als Startup gegründet wurde und drei Jahre später an die Börse ging. Christoph Lehnen, Manager Technik bei BVT Europa, bezieht sich auf sehr vielversprechende Versuche in Florida. Dort habe sich die Menge der (wegen der Graufäule benötigten) chemischen Pflanzenschutzmittel halbieren lassen. Allerdings gibt es weitere Feinde der Erdbeeren, die trotz der Hummeln noch vorkommen können: Mehltau, Spinnmilben, Läuse.[caption_left: Erdbeeren mit Graufäule. Die Hummeln können die Beeren vor dieser Pflanzenkrankheit bewahren.]Für die Schweiz rechnet Christoph Lehnen mit einem ähnlichen Ergebnis wie in Florida, jedenfalls für den Tunnelanbau. Schon im letzten Jahr fanden in der Schweiz erste Versuche statt. Ein erster Freilandversuch ist im Kanton Freiburg im Gange.Mehrertrag mit mehr NaturFür Gemüse- und Obstbaubetriebe ist der Einsatz von Hummeln auch deshalb eine aussichtsreiche Methode, weil mit ihm sogar ein Mehrertrag verbunden ist. In Florida und in Südeuropa habe man bei den Erdbeeren erster Güte eine Ertragssteigerung um 10 bis 20 Prozent festgestellt, sagt Christoph Lehnen. Bei den bisherigen Versuchen hierzulande habe man auf die genaue Erhebung wegen des damit verbundenen Aufwands zwar verzichtet, ein Mehrertrag soll aber auch hier erzielt worden sein.Der Fahrmadhof hat für den Versuch bei den Erdbeeren vier Bereiche à vier Meter abgesteckt. Untersucht werden die vier Varianten: BVT ohne Pflanzenschutzmittel, BVT mit Pflanzenschutzmitteln, Anbau ohne BVT und ohne Pflanzenschutzmitteln sowie Anbau ohne BVT, aber mit Pflanzenschutzmitteln. Das Interesse gilt einerseits der Frage, wo allenfalls Graufäule vorkommt und wo nicht, andererseits wird die Erntemenge erhoben.Die Behörden lassen sich ZeitDie für den Versuch nötigen Hummeln – zwei Völker mit je zirka 200 Insekten in speziellen Hummelkisten – bezieht der Fahrmaadhof von der Firma BVT für insgesamt 240 Franken. Die ungefähr viermonatige Lebensdauer der Tiere entspricht ziemlich genau einer Erdbeersaison. Geliefert werden die Völker ohne Königin, weil sonst die Überwinterung zu gewährleisten wäre.Das Ziel des kanadischen Lieferanten ist die Anwendung der BVT-Methode sowohl im biologischen Landbau, als auch bei der «Integrierten Produktion». Für die Bewilligung ist das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zuständig. Das Registrierungsverfahren für das BVT-Pulverprodukt läuft. Der Abschluss sei leider noch nicht absehbar, sagt Christoph Lehnen. Das mag daran liegen, dass die Verfahren grundsätzlich aufwändiger geworden sind und nicht mehr bloss zwei Behörden, sondern gleich ein halbes Dutzend Stellen mitreden.Christoph Lehnen hat denn auch «den Eindruck gewonnen, dass die Behörden sich mit Mikroorganismen schwerer tun als mit chemischen Stoffen»[caption_left: Der Versuch mit den Hummeln findet im Tunnel statt, wo vier verschiedene Versuchs-
bereiche abgesteckt worden sind.]