21.08.2021

Holz prägt sein Leben

Hans Mösli betreibt in Gais eine Weissküferei. Das traditionelle Handwerk ist Bestandteil des Brauchtums.

Von Nadine Küng
aktualisiert am 03.11.2022
Nadine KüngBereits frühmorgens steht Hans Mösli mit seinem Neffen Reto Mösli in seiner Werkstatt in Gais. Ein wohltuender Geruch von Holz liegt in der Luft, Maschinenlärm umgibt die beiden. Ein Stockwerk höher befindet sich eine wahre Schatzkammer voll mit fertigen Produkten: Alpfahrtseimer, Schalen, Messergriffe, Uhren und Pfeffermühlen in allen möglichen Formen. Das Erzeugnis aus unzähligen Arbeitsstunden.Hans Mösli kam schon früh mit Holz in Berührung, dem Material, das sein Leben bis heute stark prägt. Gross geworden ist er in Bühler, wo er gegen Ende der Primarschule das Schnitzen lernte. Es sei sein Vater gewesen, der ihm dazu geraten habe, die Lehre als Weissküfer zu machen. «Ich wollte eigentlich Bauer werden.» Trotzdem ging Mösli in der Weissküferei von Reifler Senior in Hundwil schnuppern. Es gefiel ihm gut, und er konnte die dreijährige Lehre als Weissküfer dort absolvieren. Zusätzlich schloss er in Herisau eine Zweitlehre als Drechsler ab. Anschliessend arbeitete Mösli bis zur Rekrutenschule und danach wieder bis zur Selbstständigkeit bei Reifler.1977 startete Hans Mösli in der eigenen Weissküferei in Gais, wo seine Frau aufwuchs. Die beiden haben drei Töchter, einen Sohn und acht Grosskinder. Dort übte er auch seinen ursprünglichen Traumberuf aus, indem er den Bauernbetrieb seines Schwiegervaters übernahm. Mösli hat neben der Weissküferei also stets auf dem Bauernhof gearbeitet. Diese Verantwortung durfte er mittlerweile abgeben, und sie ist in guten Händen: Hans Möslis Sohn hat den Hof übernommen. «Ich bin jetzt nur noch der Knecht», sagt er und lacht.Insgesamt acht Lehrlinge ausgebildetDer Start von Möslis Selbstständigkeit fiel zeitlich mit der Öl-und der damit verbundenen Wirtschaftskrise zusammen. «Eigentlich haben mir damals alle vom Anfangen abgeraten», sagt er. Doch es sei insofern eine gute Zeit gewesen, da sein Handwerk damals je länger, je gefragter wurde. Das Geschäft nahm bald immer mehr Fahrt auf. In den Anfangsjahren hatte Mösli viele grosse Firmenaufträge, manchmal von tausend bis zweitausend Stück. Das gab entsprechend viel Arbeit. Zu Spitzenzeiten beschäftigte er fünf bis sechs Mitarbeitende und bildete insgesamt acht Lehrlinge aus, unter ihnen zwei seiner Brüder. Ausserdem unterstützt ihn seine Frau Marianne tatkräftig im Büro. Heute geht es meistens um Einzelanfertigungen, neben den traditionellen Produkten sind das oft Drechsler- und Schnitzarbeiten, diverse Geschenkartikel, Spezial- und Sonderanfertigungen nach Kundenwunsch sowie Reparaturen aller Art. Auch das habe seinen Reiz: «Die Arbeit wurde so vielfältiger und abwechslungsreicher.»Jeweils freitags und samstags kann Hans Mösli auf die Unterstützung seines Neffen Reto Mösli zählen. Er wohnt mit seiner Freundin in Urnäsch, ist aber in Gais aufgewachsen, nur rund achthundert Meter von der Weissküferei entfernt. So war er bereits als kleiner Knabe oft bei seinem Onkel im Betrieb. «Wenn meine Schwestern in die Badi gingen, kam ich hierher zum Schnitzen», sagt er. Sein Vater hatte bei Hans Mösli die Lehre absolviert und dort gearbeitet. Auch für Reto Mösli wäre die Ausbildung zum Weissküfer in Frage gekommen. Schweizweit gibt es jedoch nur noch sehr wenige Weissküfereien und daher praktisch keine offenen Stellen. Deshalb entschied er sich für die Lehre als Möbelschreiner und machte in diesem Bereich auch eine Weiterbildung. Er fand, das Handwerk des Weissküfers könne er später immer noch erlernen. «Und da bin ich jetzt angelangt, beim Lernen», sagt der 27-Jährige. Heute würde er nochmals denselben Weg einschlagen, denn durch das Schreinern habe er das Holz noch einmal auf eine ganz andere Art kennengelernt.In Hans Möslis Werkstatt wird sowohl maschinell als auch von Hand gearbeitet. Grobe Formen werden an der Maschine gefertigt, die feinen Schnitze-reien sind jedoch reine Handarbeit. Für traditionelle Produkte wie den Alpfahrtseimer verwenden sie Ahorn und Fichten – weisses Holz. Damit habe das Wort «Weissküferei» vermutlich jedoch nichts zu tun. «Der Begriff kommt vom ursprünglichen Inhalt: der Milch», erklärt Hans Mösli. Denn Weissküfer gibt es überall in der Schweiz sowie auch im Ausland. Früher sei ausschliesslich Holz verwendet worden, das in den Wäldern der jeweiligen Regionen vorkam. Das sei natürlich nicht überall weiss gewesen. Für andere Gegenstände, beispielsweise die Pfeffermühlen, verarbeiten Hans und Reto Mösli auch Nuss- und Kirschenholz.Die Zukunft des Betriebsist geregeltBetreffend der Zukunft des Berufs ist Reto Mösli guten Mutes. «Wir haben im Appenzellerland vielfältige Traditionen und sind stolz, mit unseren Produkten einen Beitrag zu leisten», sagt er. Zudem werde das Holz als Material besonders aufgrund seiner ökologischen Aspekte heute wieder mehr geschätzt. Auch Hans Mösli ist positiv gestimmt: «Solange Arbeit da ist, geht es weiter, und wir haben immer Arbeit gehabt.»«Das Ziel ist schon, dass ich den Betrieb eines Tages übernehme», sagt Reto Mösli. Noch denkt sein Onkel aber nicht ans Aufhören. «Es ist doch schön, wenn man ein bisschen arbeiten darf, solange man noch kann», findet er. Es sei dennoch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass sein Neffe sein traditionelles Handwerk voraussichtlich weiterführen wird.

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