Christlich 28.01.2023

Hol(l)ywood oder Leben – vor wem geben wir uns ganz preis?

Die Fasnacht steht vor der Tür. Sie ist eine Zeit im Jahr, die man entweder liebt oder über sich ergehen lässt.  Schon als Kind bereitete es mir viel Spass, mal ein Cowboy oder ein Indigener zu sein.

Von Lucas Kägi, Sozialdiakon i.A.
aktualisiert am 28.01.2023

Meine Grossmutter nahm mich immer mit an den Umzug und ich staunte über die Originalität von manch einer Verkleidung. Es war und ist für mich die Zeit, in der man einfach alles sein kann.

Ob ich nun als Tauchlehrer als Asterix oder als Son-Goku an einen Maskenball ging, immer konnte ich eine kurze Zeit lang einmal jemand anderes sein.

Neulich war ich mit meiner Freundin im Auto unterwegs, als das Telefon klingelte. Es war Andrea Hofacker, unsere Pfarre­rin, die mich anrief. Dank Freisprechanlage konnte ich den Anruf entgegennehmen. Nachdem ich aufgehängt hatte, sah mich meine Freundin an und meinte: «Warum lachst du denn so viel am Telefon?» Ich war etwas irritiert von ihrer Frage und meinte, ich hätte doch so gesprochen wie immer.

Sie meinte, es sei ihr jetzt schon mehrfach aufgefallen, dass ich, wenn ich mit jemandem telefoniere mit dem ich beruflich zu tun habe, häufiger kleine Scherze einbauen würde, oft lache und immer mit einer aufmunternden Stimme sprechen würde.

Diese Aussage ging mir noch eine Weile lang durch den Kopf. Ich stellte mir die Frage, ob ich denn immer ich selbst bin, oder ob ich, ähnlich wie bei der Fasnacht, in eine Rolle schlüpfe, je nachdem in welchen Umfeld ich war.

Ja, wo bin ich denn wirk­lich zu hundert Prozent ich selbst?

Ich denke, es gibt in unserem Leben nur sehr wenige Menschen, die uns wirklich kennen. Und wahrscheinlich verkneifen wir uns sogar bei diesen das eine oder andere. Einen kleinen Teil von uns werden wir wohl immer hüten wie einen Schatz.

Zum Glück gibt es eine Möglichkeit für uns, wie wir einmal hundert Prozent von uns preisgeben können. Jemandem, der uns liebt, so wie wir sind, mit allen Ecken und Kanten.

Im Gebet haben wir diese Möglichkeit. Gott weiss, wie wir sind, und zwar nicht nur das, was wir von uns offenbaren. Das Gebet ist die Möglichkeit für uns, ein zu hundert Prozent ehrliches Gespräch mit jemandem führen zu können, der uns kennt und dafür liebt, wer wir sind.

Wir müssen uns nicht verstellen, keine Rolle einnehmen oder uns angemessen verhalten, wenn wir mit Gott im Gespräch sind.

Er sieht unser Herz und weiss um alles, was darin vorgeht.

Ob wir nun traurig, verletzt, wütend oder fröhlich sind, wir können sein, wer wir sind und wie wir uns fühlen, ohne dabei einer Rolle gerecht werden zu müssen.


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