16.04.2021

Hoffnung grösser als Kampfeslust

Obschon der Kantonsrat über die Spitalstandorte schon entschieden hat, ist der Widerstand nicht ganz erloschen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Im Rheintal hat die einst stark verbreitete Kampfeslust merklich gelitten, im Toggenburg nicht. Dort wird mit einem Referendum der Doch-noch-Fortbestand des Spitals Wattwil angestrebt. Den Entscheid, ob das fortgeschrittene Bauprojekt gegen den Willen von Regierung und Kantonsrat fertigzustellen ist, fällen die Stimmberechtigten des Kantons St.Gallen am 13. Juni. Gleichentags wird auch über die Gewährung von Beiträgen für die Notfallversorgung befunden.Obschon die St.Galler Regierung beteuert, das Abstimmungsergebnis zu Wattwil habe auf den Schliessungsentscheid keinen Einfluss mehr, erhoffen sich die Kämpfer für den Fortbestand des Spitals Altstätten die grosse Wende. Der Rechtsanwalt Werner Ritter sagt, zwar habe der Kantonsrat die Spitalstandorte beschlossen, doch der Plan habe auch finanzierbar zu sein. Den Stimmberechtigten biete sich Mitte Juni die Chance, diesen Plan zu durchkreuzen, dann sei von Grund auf neu zu planen.Anwalt Ritter befürchtet eine ManipulationWerner Ritter kämpft auch auf rechtlichem Weg. Er wirft dem Verwaltungsrat der Spitalregion vor, durch «Horrormeldungen» die spitalfreundlichen Volksentscheide von 2014 auszuhebeln, ohne die angebliche Notwendigkeit mit konkreten Zahlen und Fakten zu belegen. Das kantonale Gesundheitsdepartement bescherte Werner Ritter vor einem Jahr und drei Monaten ein Erfolgserlebnis, indem es den Verwaltungsrat verpflichtete, die Dokumente herauszurücken. Ritter, der noch nichts erhalten hat, befürchtet eine Manipulation mit betriebswirtschaftlichen Berechnungen; je nach verwendeten Parametern sehe das Ergebnis anders aus.Spital schrieb jährlich schwarze ZahlenEin anderer Kämpfer zugunsten des Altstätter Spitals ist der einheimische Eduard Ith. Jüngst hat er die Unterlagen zur Abstimmung von 1988 zur Übergabe des damaligen Gemeindespitals Altstätten an den Kanton ausgegraben und (vergeblich) gehofft, im Vertrag zwischen Kanton und Stadt einen Passus zu finden, der eine Spitalschliessung verbietet. Ith wird allerdings nicht müde, den seines Erachtens bestehenden Widerspruch zwischen den ausgeglichenen Zahlen des Altstätter Spitals und dem Spitalschliessungsbeschluss hervorzustreichen.Tatsächlich steht das Spital Altstätten von allen Regionalspitälern, die geschlossen werden sollen, klar am besten da. Es hat in den letzten Jahren (anders als die Spitäler Flawil, Wattwil sowie das bereits geschlossene Spital Rorschach) nie einen Verlust geschrieben, sondern stets eine Ebitda-Marge von rund 3,5 (2016 und 2017) bzw. 1,7 Prozent (2018) und 0,8 Prozent (2019) erzielt. Die Zahlen sähen aber deutlich schlechter aus, wäre die Infrastruktur nicht veraltet und wären die Abschreibungen deshalb nicht tief.Bei einem Fortbestand des Spitals wären Neubauprojekte im Umfang von rund 85 Mio. Franken nötig; das ist der Betrag, dem die Stimmberechtigten 2014 zugestimmt hatten, bevor die Regierung und schliesslich der Kantonsrat die ursprünglich verfolgte, vom Volk genehmigte Spitalstrategie umkrempelten.Spital Grabs erzielt bessere ErgebnisseDie Verantwortlichen der Spitalregion nennen eine Ebita-Marge von 10 Prozent als Voraussetzung für eine langfristige Perspektive des Altstätter Spitals. Die hierfür nötige «deutliche Umsatzsteigerung» sei «aufgrund des Leistungsangebots und des Einzugsgebiets nicht realistisch». Regelmässige Gewinne in genannter Höhe seien nötig, um  bauliche und medizinisch-technische Investitionen tätigen und im Wettbewerb mit privaten Spitälern bestehen zu können. Verbliebene Gegner einer Spitalschliessung in Altstätten äussern (mit Verweis auf die von Ritter verlangten, aber nach wie vor nicht herausgerückten Dokumente) den Verdacht, die Rechnungsergebnisse des Altstätter Spitals könnten buchhalterisch zu Ungunsten des Spitals gesteuert worden sein.Das Spital Grabs weist im Vergleich zum Altstätter Spital eine deutlich höhere, in der Tendenz aber sinkende Ebitda-Marge aus. Statt 10,9 Prozent (im Jahr 2016) waren es 2019 noch 5,6 Prozent. Anders als das Spital in Altstätten soll jenes in Grabs ausgebaut werden. Es hatte bereits eine klare Vorstellung bestanden, bevor der Kantonsrat Ende 2020 im Rahmen seines Entscheids zur Spitalstrategie eine neue Ausgangslage schuf: Bis Ende 2022 wird für das Spital in Walenstadt geprüft, ob dieses Spital dank einer kantonsübergreifenden Lösung vielleicht doch noch zu retten ist. Die Kosten und das Bauvolumen für das Spital Grabs hängen davon ab, wie es mit Walenstadt weitergeht und wie das für Altstätten geplante Gesundheits-, Notfall- und Zentrum für spezialisierte Pflege (GNZ) ausgestaltet wird. Zurzeit werden Projektpläne und Machbarkeitsstudien für die weiteren Ausbauoptionen in Grabs erstellt. Auszugehen ist von einem Grabser Ausbau irgendwo in der Grössenordnung zwischen etwa 30 und rund 60 Betten.Es geht nicht nur um KostenEin Ausbau des Altstätter Spitals hätte nach Darstellung der Spitalverantwortlichen ein «dauerhaft negatives Ergebnis» zur Folge. Weitaus wichtiger sei allerdings der Umstand, dass es «aufgrund des Fachkräftemangels und des zunehmenden Spezialisierungstrends immer schwieriger wird, die einzelnen Standorte zu betreiben».Wo früher ein Allgemeinchirurg alles operiert habe, seien heute ein Handchirurg, ein Viszeralchirurg, ein Proktologe und viele andere Spezialisten tätig. Einerseits gebe es nicht genug Spezialisten, um das Angebot an allen Standorten sicherstellen zu können, andererseits wären die Spezialisten in den einzelnen Spezialdisziplinen nicht überall ausgelastet und die erforderliche Qualität nicht uneingeschränkt gewährleistet, was die Attraktivität der Ausbildungsplätze schmälere. Hinzu komme, dass wegen des Trends zu mehr ambulanten Behandlungen immer weniger Betten benötigt würden. Eine Konzentration der Leistungen an wenigen Standorten sei unumgänglich.Die Stadt Altstätten als Standortgemeinde hatte sich lange gegen die Pläne der Regierung gestemmt und gegen Ende des Jahres 2019 eine Akutgeriatrie als Basisangebot vorgeschlagen, mit ergänzender Tagesklinik und -chirurgie für die wohnortnahe ambulante Grundver-sorgung. Nach dem ablehnenden Bescheid der Regierung und dem kantonsrätlichen Entscheid zu den Spitalstandorten hat der Stadtrat seinen Widerstand aufgegeben. Mit Blick auf die Zukunft der Altstätter Spitalliegenschaft ist eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die eine erste Sitzung abgehalten hat.Nur die SP «kämpft» nochVon den politischen Parteien leistet einzig die SP noch (symbolischen) Widerstand gegen eine Spitalschliessung. Auf ihrer Webseite heisst es: «Die SP kämpft für den Erhalt des Spitals Altstätten.» Allerdings scheint (angesichts der baldigen Volksabstimmung zu Wattwil) eher das Prinzip Hoffnung zu gelten. Der Inhalt der Webseite soll demnächst angepasst werden.Im Kantonsrat ist ein Postulat zweier (auswärtiger) GLP-Kantonsräte hängig, die einen Bericht für den Ausbau der Geriatrie an den Spitälern Wattwil und Altstätten fordern. Er sei nötig, um die Zukufnt der Spitalstandorte Wattwil und Altstätten abschliessend zu beurteilen, meinen die Postulanten. Die Regierung hat dem Kantonsrat beantragt, darauf nicht einzugehen.

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