16.04.2021

Höherer Bedarf an Charterflügen

Nur ein Drittel der Smartline-Flotte ist zurzeit in der Luft. Deren Geschäftsführer, Wolfgang Folie, wünscht sich ein schlüssiges Ampelsystem.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 03.11.2022
Die Smartline Luftfahrt GmbH hat ihre Heimatbasis in Altenrhein. Dort sind sieben von neun Flugzeugen stationiert; eines steht in Friedrichshafen und eines in Graz – das seit Kurzem einen Linienbetrieb mit zwei wöchentlichen Flügen nach Stuttgart und zurück anbietet. Das ist ein neues Geschäftsfeld der Smartline, das in der jetzigen Zeit zu einer minimalen Grundauslastung beiträgt. Sonst werden die sechs- bis neunplätzigen Bedarfsflieger in der Regel über eine Plattform gebucht, auf die etwa 2000 Broker zugreifen können. Stammkunden melden sich aber auch direkt bei www.smartline.aero. Bei Normalbetrieb sind die Flugzeuge tagelang unterwegs und fliegen vorwiegend in Europa von Land zu Land.Die Smartline beschäftigt 22 Mitarbeiter. Inhaber und Geschäftsführer ist Wolfgang Folie, der als Springer auch selbst fliegt. Der diplomierte Ingenieur ist zudem auch Fluglehrer und -prüfer. Der 56-jährige Vorarlberger hat seit 1991 eine Pilotenlizenz. Der gelernte Elektriker besuchte das Technikum in Buchs und finanzierte sich die Pilotenausbildung nach Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, mit der Idee, Flugzeuge zu besitzen und zu managen. «Die Mischung macht’s», sagt der verheiratete Vater von vier heranwachsenden Kindern.Erste Welle«Am 16. März 2020 führten wir den letzten Flug durch», sagt Wolfgang Folie. Der Flugbetrieb ruhte für drei Monate und wurde erst am 16. Juni wieder aufgenommen. «Es hatte sich abgezeichnet, dass man kaum mehr zwischen Ländern wird hin- und herfliegen können. Dieselben Probleme hatten auch andere Geschäfte in der Bedarfsfliegerei-Branche in Europa. Auch im Linienflugbetrieb war die Situation ähnlich», sagt Folie.Da in der Anfangsphase nicht klar war, wie gefährlich das Virus wirklich ist, war es auch eine Sicherheitsmassnahme, im März und April den Flugbetrieb einzustellen. «Unsere Piloten sind keine Freelancer wie oft in diesem Geschäft, sondern fest angestellt. Sie sind Väter von jungen Familien, da war es einfach auch Selbstschutz, vorerst einmal nicht zu fliegen», schaut der Geschäftsführer zurück. Und sagt weiter: «Zudem wollten wir nicht zu einer Ausbreitung beitragen, indem wir Infizierte irgendwo hinfliegen. Zumal es im schlimmsten Fall auch noch zu Haftungsklagen kommen könnte.»Immerhin hätten sie im Mai einige Abholflüge machen können. Es ging etwa darum, Leute aus Italien abzuholen, die auf einem Schiff festsassen und nicht zurückreisen konnten. Mit der Kurzarbeitspauschale seien die Lohnkosten der Mitarbei-ter von staatlicher Seite abgedeckt gewesen. «Aber wir sind ein gewerbliches Unternehmen wie jedes andere, haben zudem sehr hohe Fixkosten, weil wir viele Vorgaben erfüllen müssen. Wartungen an Flugzeugen müssen turnusgemäss durchgeführt werden und das Personal ist verpflichtet, regelmässig unterschiedliche obligatorische Trainings zu besuchen», sagt Wolfgang Folie.Diesbezüglich bekomme die Bedarfsfliegerei vom Staat überhaupt keine Unterstützung – im Gegensatz zu Linienflug-Gesellschaften, die mit ähnlichen Problemen kämpfen.ZwischenzeitAls der Flugbetrieb Mitte Juni wieder hochgefahren werden konnte, hatte die Smartline eine gute Auslastung – vergleichbar mit dem Sommer ein Jahr zuvor.Zweite WelleIm Gegensatz zur ersten Welle, in der der Flugbetrieb praktisch von einem Tag auf den anderen eingestellt wurde, nahm im Herbst die Nachfrage langsam ab. Erst Ende 2020 brach die Nachfrage wieder sehr stark ein – und sie erholte sich danach schleppend. Seit März gibt es eine regelmässige Grundauslastung. Das heisst, zwei, drei Flugzeuge sind stets unterwegs. Üblicherweise sind sechs oder sieben von neun Flugzeugen im Einsatz. «Eigentlich ist die Auslastung zu tief, um die Personalkosten bezahlen zu können», sagt Wolfgang Folie und erklärt: «Der Aufwand ist in diesen Zeiten viel höher. Im Flugbetrieb was Reinigung und Desinfektion anbelangt, im Bürobereich sind es zusätzliche zeitraubende organisatorische Abklärungen, die gemacht werden müssen.»Ein weiteres Problem sei die Wellenbewegung in der Nachfrage. Zwei, drei Tage läuft fast gar nichts, dann wieder wollen gleich mehrere Kunden Auskunft über verschiedene Destinationen. «Es ist nicht hilfreich, dass jedes Land andere Ein- und Ausreisebestimmungen hat – in Deutschland sogar jedes Bundesland», sagt Folie. Zudem können die Bestimmungen sehr schnell ändern, sodass die Passagiere von einem Tag auf den anderen mit ganz anderen Bedingungen konfrontiert sind.«Wir sind ein Bedarfscharter und leben auch davon, kurzfristig gebucht werden zu können», sagt Folie. Es sei stets sehr schwierig, die gewünschten Informationen zu erhalten. Man tanke sich von Hotline zu Hotline durch und werde von Amt zu Amt weitergereicht, werde weder im Internet informiert, noch erhalte man auf schriftliche Anfragen Auskunft.Gerade in der Schweiz bekomme man nicht das Gefühl, dass jemand helfen wolle. «Zurzeit sind die Bestimmungen hier nicht nachvollziehbar. Man verlangt einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist. Obwohl man damit beweist, dass man gesund ist, muss man je nach Region, aus der man anreist, doch noch zehn Tage in Quarantäne», sagt Wolfgang Folie.Er würde sich von den Ländern klare Regeln wünschen, vor allem ein Ampelsystem, das mindestens für ganz Europa gilt. Beispiel: Grün: Freie Einreise aus diesem Land. Orange: Obligatorischer PCR-Test, nicht älter als 48 Stunden. Rot: Zehn Tage Quarantäne zwingend.Ausblick«Ich denke, ein Licht am Ende des Tunnels ist erkennbar, obwohl ich die Zukunft natürlich nicht kenne und das ein wenig wie ein Blick in die Glaskugel anmutet. Bei dieser Pandemie ist bei sozialen Kontakten stets Angst dabei. Der Impfplan entspannt diese Situation nun etwas», sagt Wolfgang Folie.Das würden auch erhöhte Anfragen für den Sommer zeigen. Zwar werden Sitzungen und Treffen vermehrt über Video- oder Telefonkonferenzen abgehalten, aber Folie glaubt, dass es die Geschäftsfliegerei weiter braucht, weil der soziale Kontakt wichtig ist. «Wenn es um ein grösseres Geschäft geht, ist nach wie vor wichtig, dass man sein Gegenüber physisch trifft und ihm in die Augen sehen kann.»Wolfgang Folie hofft, dass sich die Situation bei den Bedarfschartern bis im Herbst stabilisiert. Er vermutet, dass es bei den Linienflügen noch etwas länger dauern wird, bis sich die Situation wieder wie vor Corona präsentiert.

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