20.08.2019

"Hoassi Mialch mit Iimahunk"

In Oberriet darf man heute noch ungestraft von Wiibar reden. - Der achte Teil unserer Mundartserie.

Von Christoph Mattle
aktualisiert am 03.11.2022
Der Bub liegt krank im Bett. Auch sein Teddybär scheint krank zu sein. Was dem Buab wohl fehlt? In der Oberiedner Mundart könnte er da Kataar (Erkältung) haa. Oder d Schtruflata. Die Mutter könnte ihm Böllawickil (Zwiebelwickel) oder a Hööbloomabaad (Heublumenbad) macha. Oder Kruudwickil (Krautwickel). Oder a hoassi Mialch mit Iimahunk (heisse Milch mit Bienenhonig). Oder an Leandablüatatee (Lindenblütentee). Vermutlich iss am Buab a kli trümmlig (schwindlig) oder oafach göölig (schlecht) und äätlig. Vialiacht iss Weattr blööschtig (föhnig). Auf einem anderen Bild i mim Easchklassläsibüachli steht unter dem Bett des Buben an Nachthafa. Ich wage nicht zu schildern, wozu er damals diente...War der Lehrer einmal krank, erfuhr man das erst im Schulhaus. Ein anderer Lehrer teilte das den umsonst erschienenen Goofa mit und man ging freudvoll nach Hause. Erst später wurde die Telefonkette erfunden.Metamorphose vom BuabDer Lehrer konnte so einem seiner Schüler etwas mitteilen, der es gemäss der vorgegebenen Telefonkette den anderen Eltern telefonisch weiter leiten musste. Heute haben die Schüler ein Händi; der Lehrer kann allen ein Whatsapp senden. War der Lehrer krank, hatten wir unsere Freude daran. Noch grösser war die Freude, wenn wir wegen Hööfeeri wieder nach Haus gehen durften. Die frühere Generation genoss noch Buwääalifeeri. Paul, der auf der Zeichnung ist, ist ein Bub oder gar a Büabli. Wird das Wort in der Schriftsprache benutzt, so wird das Wesen häufig zum Knaben oder modern zum Jungen. Wäre es a Moatli, spräche man heute eher von einem Mädel. Wird der Buab älter, so mutiert er in der Oberiedner Mundart zum Poascht oder zum Käalli. In welchem Alter diese Umbenennung eines männlichen Wesens eintritt, ist nirgends verbindlich festgehalten. Jedenfalls will man auf Stufe Sekundarschule nicht mehr Bub genannt werden. Dazu gibt es den schönen Spruch, den eine Mutter oder ein Vater einem Kollegen des Sohnes drohend sagt: «Wennd du mim Buab widar amool seescht Buab, denn kund min Buab und hout din Buab, dass din Buab mim Buab nia me seed Buab.» Ist der Buab eher ein Filou, so nennt man ihn Pöaschtli oder Possli.Wiibar und WeattligIm Oberied darf man heute noch ungestraft von Wiibar reden. Es ist salonfähig zu sagen, dass d Wiibar vom Toanvarein an Uusflug machid. Vomana Wibsbild spricht man kaum noch. Ebenso wenig vomana Maasbild. Die katholische Kirche hat schon vor Jahrzehnten das «Du bist gebenedeit unter den Weibern» ersetzt durch «Du bist gebenedeit unter den Frauen.» Diese Änderung erfolgte, weil das Wort Weib negativ konnotiert war. Gescheiter wäre es allerdings gewesen, man hätte das schwer verständliche Wort «gebenedeit» ersetzt, das vom Lateinischen benedictus stammt und mit gepriesen oder gesegnet übersetzt werden kann. Auch die Wörter Weapfrou oder Weattlig für die Wittfrau oder den Wittwer sind bei jungen Leuten nicht mehr in Gebrauch.

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