Gruseliger als die geschminkten Gesichter, denen man am Montagabend begegnen konnte, waren Stefan Hildebrands Ausführungen zum Thema «Hexenwahn und Hinrichtungen».
Das Vorstandsmitglied des Museumsvereins Prestegg staunte allerdings genauso sehr wie seine Gäste. Jene über die Hexenprozesse und damit verbundene Gepflogenheiten, Hildebrand über die Zahl der Teilnehmenden.
Diesmal kamen nicht nur zehn, zwölf Leute
Findet eine «normale» Städtliführung statt, kommen mal drei Interessierte, mal zehn, eventuell auch mal ein Dutzend. Diesmal aber erschienen die Gäste zu Dutzenden, bis fünfzig Teilnehmende bei der Prestegg versammelt waren und der unfassbaren Schilderungen harrten, die da kommen sollten.
Knapp ein Drittel der Erschienenen erklärte sich bereit, für eine gute Stunde einzukehren und an einer zweiten Führung teilzunehmen, die von Stefan Hildebrand grosszügig angeboten worden war.
Hexen durch das Untertor gezerrt
Versammelt beim Untertor, sahen sich die Teilnehmenden ins Jahr 1644 versetzt. Vor ihren Augen wurden die mutmasslich aus Hinterforst stammenden Magdalene Hutter und ihre Enkelin Barbara Neff wegen Hexerei durchs Stadttor gezerrt. Wie am Montag die Führungsteilnehmenden stand damals das Volk bereit, gaffte, spuckte, verhöhnte, lachte aus.
Vor der Kirche sagte Stefan Hildebrand ein wenig später:
Ich will nicht die Kirche schlechtmachen, doch die Kirche hatte eine schlechte Rolle, war den Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden, keine Hilfe.
Im Gegenteil. Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche befürworteten Hexenprozesse.
Das Obertor wird auch Hexentor genannt
Was der Lehrer erzählte, bekam das Publikum an den fünf Stationen hören, die bei den Hexenprozessen eine Rolle spielten. Nach dem Untertor und der katholischen Kirche wurden das Rathaus, der ehemalige Schelmenturm und das (nicht mehr bestehende) Obertor beim Museum und Amtshaus angesteuert.
Durchs Obertor (auch Hexentor genannt) ging es zur Urteilsverkündung unter den Linden (auf der Breite) und zur Richtstätte (wahlweise Gitzibüchel, Widen oder Forst).
«Peinliche Befragung», wenn Reden nicht half
Was im Schelmenturm geschah, will man lieber nicht allzu genau wissen. Hätte Altstättens Stadtpräsident Ruedi Mattle 1644 gelebt und das Sagen gehabt – er wäre verpflichtet gewesen, den Folterverhören persönlich beizuwohnen. Wie der Landvogt, der Landvogtsammann oder der Statthalter wäre er dafür entschädigt worden. Unter anderem ist in den Büchern vermerkt: «Beiwohnung der Exekution – zwei Gulden.»
Im Altstätter Schelmenturm-Gebäude, dem heute der Turm fehlt, führte der Hexenrichter zunächst die gütliche Befragung durch. Blieb ein Geständnis aus, bekamen die Beschuldigten die Folterinstru-
mente gezeigt.
Die so genannte «peinliche Befragung» ist mit Folter gleichzusetzen; «peinlich» kommt von Pein, heisst also schmerzhaft. Die Bezahlung des Folterknechts für die Torturen erfolgte nach festen Tarifen.
Scharfrichter arbeitete im Stücklohn
Magdalene Hutter und Barbara Neff wurden zu Verbrennen bei lebendigem Leib verurteilt. Der Scheiterhaufen hatte nach damals gängiger Lehre den Zweck, die Auferstehung zu verhindern.
Auf Bitten der Priesterschaft wurde das Urteil vom Landvogt und vom Gericht so gemildert, dass die beiden verurteilten Frauen zuerst geköpft wurden, was einen raschen und weniger schmerzhaften Tod zur Folge hatte. Im Museum ist das Richtschwert heute noch zu sehen. Der Scharfrichter (auch Nachrichter genannt) war von der Stadt angestellt und arbeitete sozusagen im Stücklohn. Der unehrenhafte Beruf wurde vielfach vererbt. In Altstätten war das Metier fest mit der Familie Bettenmann verbunden, die wahrscheinlich ausserhalb der Stadtmauern leben musste.
Letzte hingerichtete Frau stammte aus Balgach
Zwischen 1580 und 1662 fanden allein in Altstätten neun Hexenprozesse statt. Am 13. März 1662 wurde die letzte vom Altstätter Hochgericht wegen Hexerei zum Tod verurteilte Frau, die Balgacher Witwe Anna Nüesch, geborene Jäger, hingerichtet. Eine einzige (geisteskranke) Frau wurde freigesprochen.
Stefan Hildebrand erinnerte daran, dass unsere eigene Befreiung erst 200 Jahre her ist; davor seien wir Rheintalerinnen und Rheintaler Untertanen gewesen.
Dass wir noch einen anderen Vorzug geniessen, hatte Stadtführungskollege Werner Ritter schon bei einem früheren Anlass zum gleichen Thema unmissverständlich dargelegt:
In Altstätten hat es keine bösen Geister und Hexen.