Über die Jahrzehnte haben im Landgasthof Schiff im Buriet wohl unzählige Vereinsversammlungen, Parteisitzungen und Familienessen stattgefunden. Seit rund zehn Jahren ist das Restaurant jedoch geschlossen. Heute weist nur noch der Schriftzug an der Fassade auf den einstigen Restaurant- und Hotelbetrieb hin. Unkraut spriesst auf dem Vorplatz, die Lampen auf der Terrasse sind teilweise kaputt und das Innere des Gasthauses ist leer – bis auf ein paar WC-Bürsten und Seifenspenderteile, die am Boden liegen.
Während über vierzig Jahren haben Ella und Hanspeter Trachsel im «Schiff» gewirtet. 2016 haben sie das Gebäude an die Rivag Immobilien AG verkauft. Bereits damals war klar: Das einstige Gasthaus soll abgerissen werden. «Das Gebäude ist in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig», sagte Urs Schwenk, Verwaltungsratspräsident der Rivag Immobilien AG, damals.
Nun hat die Besitzerfirma im Juni ein Abbruchgesuch eingereicht. Auf dem Grundstück seien zwei Wohnhäuser mit insgesamt 22 Mietwohnungen geplant, sagt Schwenk auf Anfrage. «Wir warten auf die Abbruchbewilligung.»
Die Auflagefrist des Abbruchgesuchs endete am 11. Juli. In dieser Zeit sei eine Einsprache eingegangen, sagt der Thaler Gemeindepräsident Simon Diezi. «Diese ist aktuell noch pendent. Der Gemeinderat wird sie jedoch in den kommenden Wochen behandeln.» Bis der Entscheid zum Abbruch gefällt sei, werde parallel der bestehende Überbauungsplan angepasst, sagt Schwenk. Das dauere bis etwa Mitte 2025.
Drei Jahrhunderte, zwei Familien, ein Lokal
Wenn die Bagger im Buriet auffahren, verschwindet ein Gebäude mit einer beeindruckenden Geschichte. Vor 326 Jahren erbaute die Familie Egger den Gasthof. Damals, 1698, lag das Haus noch am Wasser und verfügte über einen Bootssteg. Erster Wirt war Jakob Egger, gleichzeitig Stadtpräsident von Rheineck.
Rund 200 Jahre später wurde der Rhein kanalisiert und das Buriet trockengelegt. Der Name «Schiff» ist bis heute geblieben. Nachdem die Familie Egger das Gasthaus über 200 Jahre lang geführt hatte, verkaufte sie es 1901 an Albert Stadelmann. Nach seinem Tod verantwortete seine Frau Adolfine den Betrieb mit Bäckerei, Saal, Presshaus, Reben, Scheune, Waschhaus und Eiskeller alleine.
1941 übernahm die nächste Generation mit Xaver und Elsa. Als dritte Generation folgte 1968 Tochter Ella mit ihrem Mann Hanspeter Trachsel. Die beiden führten das Restaurant und Hotel über vierzig Jahre lang. Trachsel, aufgewachsen in Frutigen im Berner Oberland, machte sich unter anderem mit Gerichten mit frischem Bodenseefisch und Rheintaler Ribel einen Namen.
Zwar gab es keine Gault-Millau-Punkte, dafür Erwähnungen im Guide Bleu. Zum Jubiläumsfest 2002 kam Prominenz, etwa der damalige St.Galler Regierungsrat Josef Keller. Anlass war, dass sich das «Schiff» seit 101 Jahren in den Händen der Familie Stadelmann befand.
Konkurs, Comeback und Verkauf
Ende 2010 übergaben Ella und Hanspeter Trachsel den Hotel- und Restaurantbetrieb an die Familie Fuchs. Werner Fuchs übernimmt gemeinsam mit seiner Frau und den zwei erwachsenen Kindern. Fuchs war schon in den 1990er-Jahren Küchenchef im «Schiff» gewesen. Im Herbst 2012 ist in der Zeitung dann von der Schliessung des Gasthauses zu lesen. Aus gesundheitlichen Gründen sei es Fuchs nicht vergönnt gewesen, die Pacht weiterzuführen.
Dann soll Hotelmanager Marco Studer das Ruder im «Schiff» herumreissen, was nicht gelingt. 2014 führen Ella und Hanspeter Trachsel den Hotelbetrieb mit 36 Zimmern noch einmal für einige Zeit, das Restaurant schliessen sie. Im Januar 2016 ist der Verkauf dann besiegelt: Nach Jahrhunderten als Gasthaus soll das «Schiff» Neubauten weichen. An die Nachricht haben sich die Menschen im Buriet mittlerweile wohl gewöhnt, jetzt soll sie Realität werden.