24.02.2020

Hinter dem Ladentisch

Das neue Buch von Jolanda Spirig spielt in Bern. Es ist aber auch mit dem Rheintal verknüpft.

Die Familie, die von der Marbacher Autorin Jolanda Spirig aus der Perspektive der kleinen Martha beschrieben wird, lebte in Bern, doch das Buchprojekt hat in Altstätten begonnen. Vor drei Jahren in der Jacob-Rohner-Ausstellung im Museum Prestegg, um genau zu sein. Die IG Frau und Museum gestaltete den Raum zum Frauenalltag in der Stickereizeit. Gründerin und Präsidentin dieser Organisation ist Martha Beéry-Artho aus Eggersriet, die in den 1940er-Jahren als kleines Mädchen hinter dem Ladentisch stand und Mutters Verkaufsgespräche im Berner Kolonialwarenladen verfolgte. Martha Artho belieferte auch die vatikanische Botschaft, in deren Diensten Vater Moritz als Gärtner/Chauffeur stand.«Meine Gefühle haben mich nicht getäuscht»Zur Vorbereitung auf die Stickereiausstellung las Martha Beéry Jolanda Spirigs Buch «Sticken und Beten». «Nun weiss ich, dass ich mich als kleines Mädchen nicht geirrt hatte; meine Gefühle haben mich nicht getäuscht», lautete ihre Rückmeldung im Mail.Welche Gefühle? Und was sollte das Kind stattdessen glauben? Das fragte sich die Autorin unwillkürlich. Eine dreijährige Recherche mit zahlreichen Gesprächen und Begehungen vor Ort nahm ihren Lauf.Eine Widnauerin hütet die Kinder der Familie ArthoNun kommt die Geschichte in die Buchläden. Wer das Buch liest, findet noch einen weiteren Bezug zum Rheintal: Es ist die Widnauerin Anna Balmer, die mit 16 Jahren als Hausangestellte zur Familie Artho stiess, um die drei kleinen Kinder zu hüten. Sie heiratete einen Neffen von Moritz Artho und wanderte mit ihm nach Kalifornien aus, wo sie acht eigene Kinder aufzog. «Hinter dem Ladentisch» spielt sich vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Vierziger- und Fünfzigerjahre ab. Da waren die Rationierungsmarken, die es aufzukleben galt, da war der kalte Krieg, die wohlwollende Aufnahme ungarischer Flüchtlinge, der Notvorrat, die Fichen und die katholische Kirche, die den Mädchen das Dienen schmackhaft machte: «Wir sollen lebendige Opferaltäre sein», notierte die 17-jährige Martha nach einer Blauring-Tagung ins Tagebuch. Nur kurze Begeisterung für die weibliche UnterordnungDoch die Begeisterung für die weibliche Unterordnung war von kurzer Dauer, immerhin hatte sie schon als kleines Mädchen an den kirchlichen Verkündigungen gezweifelt – und an den gesellschaftlichen Schranken, die Frauen auf den zweiten Platz verwiesen. (pd)Hinweis: Jolanda Spirig: «Hinter dem Ladentisch – Eine Familie zwischen Kolonialwaren und geistlichen Herren», Chronos Verlag, Zürich, 2020. Buchpräsentation: Donnerstag, 19. März, 19.30 Uhr in der Bibliothek Reburg, Rat­hausplatz 1, Altstätten. Es wird um eine Anmeldung via info@bibliothek-reburg.ch gebeten.

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