Das neu ausgerichtete Ausstellungshaus mit starkem Gegenwartsbezug gewinnt im Schatten der aktuellen Weltlage fatalerweise an Bedeutung. Bewaffnete Konflikte sind auch in Europa wieder an der Tagesordnung und das Völkerrecht wird mit Füssen getreten – die humanitären Grundwerte stehen auf dem Spiel. Der richtige Augenblick also, sich die humanitären Errungenschaften des 19. Jahrhunderts ins Gedächtnis zu rufen.
Das Museum, untergebracht im Gebäude, wo Henry Dunant die letzten 18 Jahre gelebt hatte, richtet den Blick nicht allein in die Vergangenheit. Es diskutiert die humanitären Werte im Kontext der Gegenwart. Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, über Krieg oder Frieden, Solidarität und Menschlichkeit nachzudenken.
Wer war Henry Dunant?
Der wirkungsmächtige Schweizer (1828-1910) ist der Nachwelt als Initiator des Roten Kreuzes bekannt. Dieser Erfolg ist jedoch nicht der Höhepunkt einer gradlinigen Karriere. Sein Lebenslauf ist geprägt von Irrwegen, von Brüchen und Krisen. Welche Erlebnisse, Ereignisse und Menschen haben Henry Dunant geprägt? Und weshalb ist Dunant heute noch aktuell? Die neue «Kernausstellung» begleitet Dunant entlang von vier thematischen Räumen durch seine Hochs und Tiefs. Dabei schlägt sie auch problematische Lebenskapitel auf und baut Brücken ins Hier und Jetzt.
Ein Beispiel? Neben seinen kolonialen Unternehmungen in Algerien, hatte der bibeltreue Gläubige auch Besiedlungspläne für Palästina geschmiedet. Inwiefern spielen christlich-koloniale Überzeugungen, wie Dunant sie vertrat, eine Rolle für die Entstehung des Israel-Palästina-Konflikts?
Im neuen Gegenwartsflügel stellt ein aussergewöhnliches Filmprojekt das Heute ins Zentrum. Präsentiert wird ein Film-Loop aus Kurzfilmen unterschiedlicher Genres. Sie werden von Regisseurinnen und Regisseuren aus verschiedenen Weltregionen eigens für das Museum Henry Dunant realisiert. Inspiriert vom Wertekosmos Henry Dunants werfen die Beiträge ein Licht auf aktuelle Themen. Der Regisseur Davide Tisato beispielsweise, greift mit «Arance Amare» (Bitterorangen) die moderne Sklaverei in den Orangenhainen Kalabriens auf. Der Film-Loop wird im laufe der nächsten Jahre stetig wachsen, bis er eine Spielzeit von 24 Stunden erreicht. Bei der Eröffnung kann bereits eine Filmstunde erlebt werden. Ab Mai 2025 wird der Gegenwartflügel rund um die Uhr zugänglich sein. Als erstes Museum in Europa hat das Museum Henry Dunant eine 24/7-Zone mit Self-Check-In entwickelt.
Vielsprachig und inklusiv
Das von Kaba Rössler und Nadine Schneider neu konzipierte, und vom Atelier Andrea Gassner gestaltete Museum präsentiert eine moderne, multimediale und erweiterbare Ausstellungswelt mit Tiefgang. Es orientiert sich an verschiedenen Publikumsinteressen und informiert in deutsch, englisch und französisch. Die Ausstellung ermöglicht auch Menschen mit Geh- und Sehbeeinträchtigungen eigenständige und kurzweilige Erkundungen.