12.08.2021

«Helfen, dass Normalität einkehrt»

Patricia Winistörfer ist im Impfzentrum Buchs für die Lagerung und Aufbereitung der Impfstoffe zuständig.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidDie Maske straff, das Impfbüchlein sowie den Personalausweis gezückt und die Ärmel hochgekrempelt. Teils nervös, teils freudig, aber mit dem nötigen Abstand, stehen die Impfwilligen vor dem Impfzentrum. Die einen zuversichtlich, die anderen zurückhaltend, aber alle mit der Hoffnung, dass zwei Spritzen reichen, um wieder Freunde treffen oder nächtelang tanzen zu können und in die Ferien reisen oder Veranstaltungen besuchen zu dürfen.Auf der anderen Seite stehen Frauen und Männer wie die Eichbergerin Patricia Winistörfer. Ruhig, besonnen und freundlich geben sie Anweisungen, schenken Aufmerksamkeit und zeigen Fingerspitzengefühl. Begonnen hat alles letzten Dezember, als Patricia Winistörfer in den Medien sah, dass verschiedene Kantone auf der Suche nach Pflegefachkräften waren und aus Mangel auch pensioniertes Personal mobilisieren wollten. Sofort war der gelernten Pflegefachfrau klar: «Ich möchte helfen, dass schnellstmöglich wieder Normalität einkehrt.» Weil die 45-Jährige ausserdem noch freie Kapazitäten hatte, habe sie sich spontan beim Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen gemeldet. Alles sei sehr schnell gegangen. Bereits im Januar war sie im mobilen Impfteam unterwegs und seit April arbeitet Patricia Winistörfer als medizinische Leiterin des Impfzentrums in Buchs. Vor allem zu Beginn war die Nachfrage nach Impfterminen gross, entsprechend stressig war der Job. «Die systematische Vorbereitung in der Hektik forderte uns alle heraus», sagt Patricia Winistörfer, «mit der Erfahrung und Routine sowie der eingeschlichenen Impfmüdigkeit in der Bevölkerung kehrte Ruhe ein.» Noch müssten sie und ihr Team viele Fragen beantworten. Es liessen sich auch noch Personen impfen, die Respekt davor hätten. Aber kaum mehr zu spüren sei die Anspannung, mit der viele Personen vor der Erstimpfung eintrafen. «Die Nervosität wich dem Bewusstsein, dass die Impfung schnell und unkompliziert vonstatten geht», sagt die Pflegefachfrau.Trotz Hektik darf Zeit zum Schwatzen seinDie wenigsten Menschen reagierten mit Kreislaufschwäche, allergischen Reaktionen oder Komplikationen wegen allfälliger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. «Die meisten sind dankbar und loben unser Engagement», sagt Patricia Winistörfer. Eine Frau liess sich an ihrem Geburtstag zum ersten Mal impfen und brachte zum Dank selbst gebackene Muffins mit. Viele lassen sich aus gesundheitlichen Gründen, aus Solidarität oder dem Wunsch, wieder ein unkomplizierteres Leben zu führen, impfen. «Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er oder sie sich impfen lassen möchte», sagt die Pflegefachfrau. «Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass alles wieder so sein wird wie vor der Pandemie.» Sie gehe davon aus, dass es früher oder später auch eine Boosterimpfung brauchen wird. «In den vier- bis zehnminütigen Zeitfenstern bleibt nur wenig Zeit zum Schwatzen», sagt die Mutter zweier Kinder. Manchmal mache sie eine Ausnahme. Beispielsweise um dem Herrn, der noch nie eine Spritze erhielt, die Angst zu nehmen, ein verunsichertes Grosi aufzulockern oder eine genesene Person aufzumuntern. Oft bekomme sie Krankheitsgeschichten zu hören, werde über die Impfgründe aufgeklärt oder gefragt, ob der eigene Hund gleich auch geimpft werden dürfe. Ihr Alltag sei von verschiedenen Geschichten geprägt und deshalb abwechslungsreich und interessant. Immer dann, wenn sie am wenigsten damit rechne, tauche ein ihr bekanntes Gesicht auf und überrasche sie mit einem netten Gespräch. Bei all den Beiträgen und Halbwahrheiten, die im Internet kursieren, sei es vernünftiger, nicht auf Diskussionen einzugehen. Das Thema ist heikel, die Fronten teils verhärtet und die Emotionen kochen schnell hoch. Patricia Winistörfer hat Respekt vor dem Virus, weshalb sie die Massnahmen als nötig und wichtig erachtet. Die Arbeit im Impfzentrum habe ihr erst recht gezeigt, wie wichtig es ist, dass alle gemeinsam an einem Strick ziehen, sich testen und impfen lassen oder wenigstens die Schutzmassnahmen einhalten. «Wir müssen lernen, mit Covid-19 zu leben», sagt die Eichbergerin. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, wieder Normalität in unser Leben zu bringen. Jeder könne selbst wählen.

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