Im Dojo des JJJC Rheintal in Balgach ist es eng. Gürtelprüfungen im Kinderjudo bringen Betrieb auf die Matte. Helena Zäch wartet auf ihren Einsatz, wie immer am Montag trainiert sie bei ihrem Stammverein.
Am Samstag ist die Eichbergerin mit erst vierzehn Jahren Schweizer Meisterin der Alterskategorie U18 in der Gewichtsklasse bis 44 Kilo geworden. Jede und jeder kommt zu Helena Zäch, um ihr zu gratulieren.
Starke Spezialwürfe und Vorzüge im Bodenkampf
Alle vier Kämpfe hat sie in Yverdon-les-Bains gewonnen. Nie musste sie über die volle Distanz kämpfen. «Die dritte Gegnerin, Ophély Veillard aus Lausanne, war die Stärkste», sagt Zäch. Eine Linksauslegerin, was für die Rheintalerin ungewohnt ist. Beim ersten Angriff der Waadtländerin setzte Zäch den Konter und holte mit einem Seoi-Nage, einem Vornüber-Kopfwurf, den Sieg. Auch den O-uchi-gari (grosse Innensichel), einen anderen Lieblingswurf, packte Helena Zäch beim Championat am Genfersee aus.
«Zudem zeigte sie ihre Vorzüge im Bodenkampf»
Die sagt Andreas Kamber, der die Eichbergerin zusammen mit ihren Eltern Thomas und Katerina Zäch in Yverdon betreute.
Anfang Jahr begann Helena Zäch mit dem Training im regionalen Leistungszentrum in St. Gallen, seither trainiert sie viermal pro Woche, einmal in Balgach, dreimal in der Hauptstadt. Dass sie am letzten Novembertag an den Schweizer Meisterschaften startet, war lange nicht vorgesehen. In der Altersklasse U15, in der Zäch in dieser Saison dominierte, gibt es noch keine nationale Meisterschaft. Dann brachte ein Aussenstehender die Idee auf, mit Starts in der höheren Kategorie U18 Ranking-Punkte für die Teilnahme an der Schweizer Meisterschaft zu sammeln.
Tatsächlich siegte Helena Zäch an drei U18-Turnieren, darunter an den Ostschweizer Meisterschaften. Im ganzen Jahr gewann sie elf Goldmedaillen. Die Quali für ihre ersten nationalen Titelkämpfe schaffte sie natürlich – und selbst dort dominierte das Talent aus Eichberg. Überrascht ist aber niemand aus ihrem Umfeld. Andreas Kamber sagt:
Ich rechnete damit, dass sich Helena durchsetzt, wenn sie umsetzen kann, was wir uns vorgenommen haben.
Er war Zächs erster Trainer im Verein, inzwischen ist sein Bruder Christian Kamber ihr Haupttrainer beim JJJC Rheintal.
Beim Vorbeifahren ins Training geschaut
Helena Zäch ist vor sechs Jahren mit ihren Eltern beim Dojo in Balgach vorbeigefahren. Ihr Vater Thomas, mittlerweile ein erfolgreicher Sportschütze, war als kleiner Bub selbst mal Judoka («aber nicht lange»). Durch die Fenster waren die trainierenden Judokas zu sehen. Die achtjährige Helena erinnerte sich an die Erzählung ihres Vaters. Die Familie ging in die Halle und Helena kehrte mit einem Schnuppertermin fürs Kinderjudo heim.
Beim japanischen Mattenkampf mit seinen höflichen Umgangsformen hat sie ihre Leidenschaft gefunden. Die Trainer loben Helena Zächs Fleiss und ihre Lernbereitschaft. Sie hat sich vor einem Jahr darum gekümmert, dass sie in St. Gallen trainieren darf. Ihr Vater unterstützte sie bei der Suche nach dem passenden Angebot. Seither bestimmen vier Trainings pro Woche den Tagesablauf der Schülerin. Der nationale Verband verlangt von Kaderathletinnen 20 Trainingsstunden pro Woche.
Helena Zäch ist willig, diesen Aufwand in Kauf zu nehmen. Sie träumt von den Olympischen Spielen, dabei nennt sie das Jahr 2032, dann ist sie 22-jährig. Die nähere Zukunft soll mit der Annäherung an den Spitzensport den Weg zu diesem Ziel ebnen. Sie muss dabei aufholen, denn als 14-Jährige, die in die Notizbücher des nationalen Verbands stürmt, ist sie bereits eine Spätberufene.
Helena Zäch besucht die reguläre zweite Sekundarklasse im Schulhaus Wiesental in Altstätten. Eine Talent Card von Swiss Olympic besitzt sie (noch) nicht, diese ist oft der Türöffner, um eine Spitzensport-Förderung zu erhalten. Nach dem Schweizer Meistertitel ist ein Aufgebot ins Schweizer Nachwuchskader naheliegend, die Selektion erfolgt allerdings erst Anfang Jahr.
«Wir müssen erst in die Strukturen des Spitzensports hineinwachsen», sagt Helenas Vater Thomas Zäch klipp und klar. Auch der Verein wurde vom Erfolg seines neuen Aushängeschilds fast ein bisschen überrumpelt. «Wir hatten nicht die passenden Strukturen für Spitzensportförderung», gibt Andreas Kamber zu. Helena Zäch sei nun eine Vorreiterin. Aber in der U11 und der U9 kämen bereits Talente nach, die von der seit zwei Jahren betriebenen intensiveren Frühförderung profitieren. Das Resultat ist bereits erkennbar: «Dieses Jahr gewannen wir 33 Goldmedaillen an Nachwuchsturnieren, letztes Jahr waren es vier.»
Der Weg zum Spitzensport ist noch nicht geebnet
Thomas Zäch ist dankbar für die Unterstützung des JJJC Rheintal. Auch als nationale Judoka wird seine Tochter einmal wöchentlich beim Stammverein in Balgach trainieren. Daneben versucht Helena Zäch, sich auf internationalem Parkett zu etablieren. Am nächsten Wochenende steht in Nîmes (Frankreich) ein Turnier auf dem Programm, das vom Verband zur Talentsichtung genutzt wird.
Bisher hat Helena Zäch erst einmal, in Bregenz, im Ausland gekämpft. Im nächsten Jahr, in dem sie regulär in der U18 kämpft, werden sich die Auslandseinsätze mehren. Ein Ziel im 2025 ist die Teilnahme an den Europameisterschaften, die Startplätze dafür gibt’s nur an internationalen Turnieren.
«International ist das Niveau höher», sagt Thomas Zäch. Das schreckt Helena Zäch nicht davon ab, ihre hochgesteckten Ziele zu verfolgen. Sie besitzt das technische Rüstzeug, die mentale Stärke (Fokus und Selbstvertrauen) und die nötige Ausdauer, um auch gegen stärkere Gegnerinnen als in der Schweiz zu bestehen.
Helena Zäch ist bereit für mehr Montage, an denen ihr jeder und jede im Dojo in Balgach zu ihrem Erfolg gratuliert.