Manches im Leben ist schon komisch. So arbeite ich seit drei Jahren in einem Ort, den es streng genommen eigentlich nicht gibt: Heerbrugg. Heerbrugg findet man auf jeder Schweizer Karte eingezeichnet. Wir haben in Heerbrugg Ortsschilder, unseren regionalen Bahnhof, eine eigene Postleitzahl, eine Schul- und zwei Kirchgemeinden, diverse Vereine und ein eigenes Ortswappen. Aber versuchen Sie doch einmal Ortsbürger von Heerbrugg zu werden oder das örtliche Gemeindeamt zu besuchen. Da geht es Ihnen noch schlechter als dem bedauernswerten Menschen in Manni Matters «Ballade vo däm wo vom Amt isch ufbotte gsi», weil Sie nämlich nicht einmal das Amt Heerbrugg finden würden. Sie könnten auf der Suche zwischen Kantonsschule und Schloss Heerbrugg jahrelang umherirren, da es ein solches Amt gar nicht gibt. Denn gemeindepolitisch ist Heerbrugg inexistent; ist Au, Balgach, Berneck oder Widnau, aber nicht selbstständig Heerbrugg. Wir können in Heerbrugg stehen, können es sehen, spüren, durchlaufen oder durchfahren, können unser ganzes Leben lang hier wohnen und sogar beerdigt werden, aber aus politischer Sicht ist es nicht da. Genau umgekehrt verhält es sich für uns Christen mit Gott, Wir beten zu ihm, sprechen mit und über ihn, halten ihn für die Grundlage und das Ziel des Lebens und versuchen unser Reden und Handeln nach seinen Vorgaben auszurichten. Er ist für uns Realität und Hoffnung zugleich, trägt durch die tiefsten Täler und begleitet bei Höhenflügen. Aber niemand hat ihn persönlich gesehen, ihn für eine Zeitung interviewt oder kann ein Foto von ihm posten, weil er für uns auf unserer weltlich körperlichen Realität einfach nicht da ist. Anders als Heerbrugg können wir Gott also nicht sinnlich erfahren, aber auf der emotionalen oder spirituellen Ebene ist er für uns Christen ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens. Ohne den Glauben an ihn könnte ich mir eine Lebens- und Alltagsgestaltung gar nicht vorstellen. Ohne den Glauben an einen Schöpfergott oder die ethischen Richtlinien, die wir durch Jesus mit auf den Weg bekommen haben, würden in meinem Leben Kompass und Ziel fehlen. Ich bin froh, dass ich an Gott glauben darf, auch wenn ich ihn auf der sinnlich wahrnehmbaren Ebene nicht beweisen kann. Aber ich kann ja schliesslich auch in Heerbrugg arbeiten und mich wohl fühlen, auch wenn es gemeindepolitisch gar nicht existiert.Und philosophisch betrachtet frage ich mich dann manchmal schon, ob ich denn als Christ aus Heerbrugg überhaupt existiere.Jens MayerJugendpfarrer in Heerbrugg