09.08.2018

Hans Huber, der Leuchtturm-Erbauer

Nachruf

Es ist im August 2002. Hans Huber steht am Fenster, hoch über dem Rheintal, den Blick ostwärts gerichtet, und sagt: «Die Rolling Stones sind, neben den Beatles, eine der ganz wenigen Rockbands, deren Lieder ich mir gern anhöre.»Die Erinnerung verschwimmt, aber der Satz ist als Teil eines «Rheintaler»-Interviews festgehalten. Zwar fehlt ein Beleg für die Blickrichtung, in meiner Vorstellung jedoch muss Hans Huber ganz einfach nach Osten geschaut haben.1960 hatte er über dem Rheintal die unternehmerische Sonne aufgehen lassen.Lieferengpässe bewogen den damaligen Eisenwarenhändler, selbst mit der Schraubenherstellung anzufangen. Daraus geworden ist ein weltweit tätiger Konzern mit 9500 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 1,6 Milliarden Franken. Als Bundesrat Johann Schneider-Ammann im letzten September das Rheintal besuchte, lobte er SFS als «Leuchtturm unserer Industrie».Da stand Hans Huber also, ein paar Tage vor dem 75. Geburtstag, immer wieder mit verschmitztem Lächeln. Die Verantwortung als Chef hatte er fünf Jahre zuvor abgegeben, er blieb seinem Lebenswerk aber als Hauptaktionär eng verbunden.Sein Terminkalender war nach wie vor reich gefüllt; erst sehr viel später, mit neunzig, zog er sich aus dem Berufsleben endgültig zurück.Das Unternehmerische war in ihm verankert wie ein grosses Schiff im Hafen. Es ging um die «ausgesprochene Freude am Wirken, am Schaffen von Neuem, am Verändern», wie Hans Huber seine Leidenschaft beschrieb. Er hatte eine Passion, für die er zwischen Arbeitszeit und Freizeit keinen Trennstrich ziehen musste.Vor dem 75. Geburtstag sprach Hans Huber bereitwillig über sich selbst. Die Kamera und der Notizblock hatten zu dem Mann gefunden, der im Alter von vier Jahren mit der Familie von Zug ins Rheintal gezogen war, der den Personenkult scheute und zeitlebens lieber im Hintergrund wirkte. Doch nun sprach er über klassische Musik, die er am meisten schätzte, über bevorstehende Reisen und schöne Bücher. Martin Walser schenkte er zu jener Zeit besondere Beachtung.Über sich zu hören, dass er zu den reichsten Unternehmern zähle, machte den grosszügigen Sohn eines früh verstorbenen Schuhmachers schlagartig sehr ernst. Dem grossen Förderer der Lehre, der für die duale Bildung sogar eine Stiftung gründete, war Reichtum immer eine relative Grösse, die falsche Erwartungen wecken und Vorurteile begünstigen konnte. Was Hans Huber mehr als seine monetäre Freiheit vor sich sah, war seine grosse Verantwortung als Unternehmer, als ein Patron alter Schule.Huber hatte einen hohen Anspruch an sich selbst. Den Anspruch, da zu sein mit jeder Faser seines Körpers. Dieser Anspruch war wie eine Batterie, die jeden Tag früh morgens mit der sportlichen Betätigung neu aufgeladen wurde.Wollte man einen Begriff aus der Boulevardpresse verwenden, Fussballfan Hans Huber wäre – im Direktvergleich mit dem Fussballer Xherdan Shaqiri – nicht nur der Kraftwürfel der Wirtschaft gewesen, sondern auch der Inbegriff von Schaffens- und Gestaltungsfreude. Als er, 84-jährig, einen Hirnschlag erlitt, gab ihm die Lust aufs Weiterwirken neue Kraft: Hingebungsvoll interessierte, las, bewegte sich die Frohnatur zurück ins Leben.Den hohen Anspruch auch an andere erlebten diese auf stets angenehme Weise. Denn Hans Huber brachte Menschen nicht nur viel Respekt entgegen, sondern ebenso Wertschätzung für Einsatz und Leistung. Statt den Chef herauszuhängen, übte er sich konsequent in Tugendhaftigkeit, was seinen guten Ruf als Unternehmer auch im engsten Umfeld stark begünstigte. Sein ausserdem untrügliches Gespür, wenn es um Zahlen ging, und seine ausgeprägte Fähigkeit, analytisch zu denken, paarten sich mit jener Sachkompetenz, die ihm als Voraussetzung für Erfolg so selbstverständlich war wie jedem Koch das Pfeffer und das Salz. Hartnäckig strebte er die Ziele an, wobei er bei Bedarf durchaus auch hart sein konnte.Das eigene Metier – man müsse es von Grund auf kennen, um Erfolg zu haben, wusste Huber. Dass er sah, wie viel auch ohne akademische Berufslaufbahn erreichbar ist, bewog ihn zwar dazu, zum grossen Förderer der Berufslehre zu werden, liess ihn aber nicht mit seiner Herkunft kokettieren. Sein eigenes Glück, früh Vertrauen genossen zu haben, mit 24 Geschäftsführer gewesen zu sein, prägte ihn stark und veranlasste ihn, Vertrauen der Kontrolle vorzuziehen.Neuem gegenüber war Hans Huber offen. Mit dem Börsengang von SFS tat er sich anfangs aber schwer. Gefahren, die er sah, betrafen seinem Naturell Zuwiderlaufendes: Kurzfristigkeit und Gier. Doch der Pragmatiker, der seine Kinder in das Unternehmen einbezog, erkannte auch die neuen Chancen und war insofern beruhigt, als die eigene Familie zusammen mit weiteren Rheintalern, den Stadlers, die Aktienmehrheit behielt – bereit, die Verantwortung weiterhin gemeinsam wahrzunehmen.Gefragt, was er sich wünschte, hätte er einen beliebigen Wunsch frei, sagte Hans Huber 2002: «Frieden auf der Welt, vor allem im Nahen Osten.»Es blieb leider beim Wunsch. Sein langes Leben aber war erfüllt.Hans Huber starb am 5. August, 19 Tage vor seinem 91. Geburtstag. Bis zum Schluss hat er weit geblickt.Gert Bruderer

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