13.03.2020

Hände weg von fremden Händen

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
In dieser Woche hat sich das Verhalten vieler Menschen im Rheintal grundlegend geändert. Das Coronavirus wird nicht mehr als eher kleine Bedrohung wahrgenommen, sondern als etwas Ernstes (oder wenigstens nicht ganz Harmloses).Am 2. März nannte das Bundesamt für Gesundheit den Verzicht aufs Händeschütteln als eine von mehreren Verhaltensregeln im Kampf gegen das Virus. Erst nach einer Woche ist die Botschaft nach und nach im Rheintal angekommen. Bis dahin war die Empfehlung wahrscheinlich von einer grossen Mehrheit als übertrieben gewertet worden – oder der Verzicht aufs Händeschütteln als Affront. Nun gilt im Rheintal ebenfalls der in Luzern gehörte Slogan, Lächeln sei das neue Händeschütteln. In persönlichen Gesprächen räumten diese Woche manche ein, das Problem unterschätzt zu haben. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es bedeutsam ist, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, der Überlastung unseres Gesundheitswesens entgegenzuwirken und als Einzelner einen grösstmöglichen Beitrag zu leisten. Aufs Händeschütteln wird also tatsächlich in vielen Fällen (aber noch zu wenig konsequent) verzichtet. Sitzungen entfallen. Besprechungen finden telefonisch oder dank elektronischer Mittel statt. In Gemeinschaftsbüros wächst die Distanz zwischen den Arbeitsplätzen. Vereine, Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Korporationen sagen auch kleinere Veranstaltungen freiwillig ab.Es geht (für jüngere, gesunde Menschen sowieso) nicht primär um die eigene Gefahr, sondern um gesellschaftliche Risikominimierung, also um vorbeugendes Handeln aller für alle. Wer dies noch immer für unnötig hält und die vom Coronavirus hervorgerufene Atemwegserkrankung mit einer «normalen» Grippe vergleicht, verkennt zwei wesentliche Punkte. Die Gefahr, die von Coronaviren ausgeht, ist auch wegen der grossen Wandelbarkeit dieser Viren nicht abschätzbar. Zweitens ist, wie wir wissen, noch keine Impfung möglich. Mit dem Thema vertraute Wissenschaftler sehen im Coronavirus eine sehr viel grössere Gefahr als in einer saisonalen, aktuell leichten Grippe. Einerseits sind die gesundheitlichen Folgen, die das Coronavirus bisher verschuldet hat, noch nicht allzu schlimm. Anderseits erleben wir zunehmend Einschränkungen in unserem Alltag und die Dauerpräsenz des Themas in den Medien. Für eine trügerisch klein anmutende Gefahr wird ein immenser, sehr kostspieliger Aufwand betrieben, was uns verunsichern kann. Doch die Einschätzung namhafter Virologen (in diesem Fall zwangsläufig das Gewissen unserer Behörden) rechtfertigt es ausnahmsweise, dass wir obrigkeitsgläubig unseren eigenen Beitrag im Kampf gegen das Virus leisten. Es geht um die Solidarität mit besonders gefährdeten Menschen im eigenen Land, aber auch um die Schonung von Staaten, die über kein leistungsfähiges Gesundheitssystem verfügen.Angst ist zwar noch immer fehl am Platz, doch Vorsicht sollten wir beflissen walten lassen. Nur, wenn die Verhaltensregeln von Bund und Kanton auch wirklich beherzigt werden, können sie die erhoffte Wirkung entfalten. Sich nicht die Hände zu reichen, nützt wenig, wenn nach der berührungsfreien Begrüssung in einer 50- oder 100-Zentimeter-Distanz eine Unterhaltung geführt wird. Oder nehmen wir das Beispiel einer kleineren Versammlung, die es diese Woche gab: Man traf sich (allerdings aus einem anderen Grund als dem Coronavirus) nicht in einem kleinen Säli wie sonst, sondern war in einem richtig grossen Saal. Hier sass man dann schön eng beisammen - hoffentlich ohne gefährliche Viren dazwischen.Wer neben den anderen Verhaltensregeln den Händeschüttelverzicht strikt befolgt, hat als Verweigerer die Möglichkeit zu einer kleinen Übung: Wozu einen Gedanken daran verschwenden, was andere von einem denken?Gert Bruderer gert.bruderer@rheintaler.ch

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