25.10.2018

Grosses Kämpferherz

Der 24-jährige Crispin Römhildt kämpft am Samstag und Sonntag an der Amateur-WM in Athen. Die Einladung zu seiner internationalen Feuertaufe kam kurzfristig.

Von Yves Solenthaler
aktualisiert am 03.11.2022
Yves SolenthalerBis vor drei Wochen beabsichtigte Crispin Römhildt aus Widnau, am Samstag an einer Fight Night in Wil im Ring zu stehen, wie es sein Teamkollege Mirwais Rassulkhel in der Gewichtsklasse bis 67 Kilo tut.Ein Anruf des Nationaltrainers machte diesen Plan hinfällig: Weil der in der Gewichtsklasse bis 60 Kilo selektionierte Kickboxer verletzt ausfällt, kann der Widnauer seinen Platz einnehmen.Bevor er zusagte, musste der Lacklaborant erst abklären, ob er von seinem Arbeitgeber Ferien für die Wettkampfreise nach Griechenland bekommt. Obschon Römhildt einen Teil der Reisekosten selbst tragen muss, war seine Zusage danach nur noch eine Formsache: «Ich habe nicht mit dieser Chance gerechnet, aber diese Möglichkeit muss ich einfach nutzen.»Blerim Rashiti, sein Trainer vom Gym Rheintal in Widnau, ist überzeugt, dass sein Schützling diese Chance verdient hat. «Crispin ist besser als der ursprünglich Qualifizierte», sagt der ehemalige Profi-Weltmeister. Der frühere Weltmeister im Kickboxen hält Römhildt für den besseren Kämpfer als den ursprünglich Selektionierten.Seine «Ringintelligenz» zeichnet Römhildt aus«Seine grosse Stärke ist es, dass er Vorschläge sofort umsetzen kann», sagt Trainer Rashiti. Cris-pin Römhildt besitze, was die Kampfsportler «Ringintelligenz» nennen: «Er geht jeweils mit einer klaren Strategie in einen Kampf – und wenn Plan A nicht funktioniert, wechselt er zu Plan B.» Zudem sei Römhildt sehr diszipliniert. Für seine vor fünf Jahren entdeckte Leidenschaft Kickboxen hat er inzwischen gar die Ernährung umgestellt.«Ich esse nur noch wenige Kohlenhydrate», sagt Römhildt, «dadurch kann ich mein Kampfgewicht besser kontrollieren.»Der Kämpfer selbst schätzt seine Stärken ähnlich ein wie der Trainer: «Ich prügle im Ring nicht einfach drauflos. Und ich bin konditionell so stark, dass ich Kämpfe auch noch in der letzten Runde entscheiden kann.»An der WM in Athen sind die Kämpfe auf 3 x 2 Minuten angesetzt. Römhildt steht an beiden Wettkampftagen im Einsatz: In den Disziplinen Full Contact und Low (in der nur Schläge bis zur Hüfte erlaubt sind). Das WM-Turnier wird im K.-o.-System ausgetragen, Römhildt bestreitet also mindestens zwei Kämpfe. Sollte er zweimal den Final erreichen, werden es sechs Einsätze in zwei Tagen: «Da käme ich körperlich bestimmt an meine Leistungsgrenze.»Chancen an der WM kaum einschätzbarSowohl für Rashiti als auch für Römhildt ist es kaum möglich, die Chancen einzuschätzen: Römhildt ist in seinen bisher acht Kämpfen – sieben Siege – noch nie einem internationalen Kontrahenten gegenübergestanden. «Die WM wird bestimmt eine sehr gute Erfahrung, ich freue mich darauf. Mein wichtigstes Ziel ist, dass ich mich in Athen nicht verletze.»Am Donnerstagmorgen ist die rund 20-köpfige Schweizer Delegation nach Athen geflogen. Die meisten seiner Kollegen hat Römhildt erst vor einer Woche an einem Kaderzusammenzug kennen gelernt.Es sind auch erst zwei Jahre vergangen, seit Römhildt zum ersten Mal im Ring stand. Die vom Gym Rheintal organisierte Fight Night hatte ihn dazu animiert, es selbst als Kämpfer zu versuchen. Daraus wurde vorerst nichts: Die Fight Night hat letztmals 2015 stattgefunden. Seiner Leidenschaft fürs Kickboxen hat dies keinen Abbruch getan – wie es das WM-Ticket zeigt.Das Leichtgewicht – der 1,68 Meter grosse Römhildt kämpft in der Gewichtsklasse bis 60 Kilo – hatte als Bub keine Neigung zum Kampfsport gezeigt. Er war dem Sporttreiben aber immer wohlgesinnt, hat selbst Fussball und Volleyball gespielt: «Erst beim Kickboxen habe ich mein Betätigungsfeld gefunden.» Seine Mutter sei aber über diese Wahl nicht überrascht gewesen: «Sie hat gesagt, ich habe immer ein Kämpferherz gehabt.»Die wichtigste Bezugsperson ist seine MutterRömhildts sportlicher Unterstützer ist sein Trainer Blerim Rashiti, der als früherer Profi und inzwischen erfahrener Trainer wertvolle Tipps geben kann. Dreimal pro Woche trainiert Römhildt in Rashitis Gym, daneben macht er zwei, drei Einheiten Lauf- und Krafttraining. «Ich muss ihn eher bremsen als anstacheln», sagt Rashiti über seinen Kämpfer.Obschon Römhildt nicht mehr zu Hause wohnt, ist aber seine Mutter Irene Wyss die wichtigste Bezugsperson geblieben: «Nur dank ihrer Unterstützung kann ich das Kickboxen in diesem Aufwand betreiben.»

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.