06.09.2021

Grosse Hungersnot vor 250 Jahren

1771 ging als Hungerjahr in die Geschichte ein. Gras, Brennnesseln und Sauerampfern wurden gegessen.

Von Peter Eggenberger
aktualisiert am 03.11.2022
In den geschichtlichen Büchern von Historiker Walter Schläpfer, Trogen, und Chronist Ernst Züst, Wolfhalden, wird an die überaus harte Zeit erinnert: «Um zu überleben, verzehrte die Bevölkerung das Fleisch kranker und verendeter Tiere sowie Gras, Brennnesseln und Sauerampfern.»Laub und Blüten von Käfern gefressenDie Ernährung im Appenzellerland wurde früher zu einem guten Teil durch den Kauf von Getreide auf dem Kornmarkt in Lindau gesichert. «Als Folge einer schlechten Ernte belegte das Schwabenland die Schweiz im Jahr 1770 mit einer Fruchtsperre, deren Auswirkung im folgenden Jahr hart zu spüren war», schreibt Walter Schläpfer in seinem Buch «Geschichte von Appenzell Ausserrhoden» über die damalige Zeit der grossen Not. Ernst Züst zur anschliessenden Hungersnot: «Das Jahr 1771 wurde zu einem der traurigsten für unsere Bevölkerung. Im April wurde die Kornsperre verschärft, und auf dem Boden-see verkehrten keine Getreideschiffe mehr. Mehl und Brot wurden ausgesprochene Mangelware …»«Im Frühjahr 1771 befielen Käfer die Bäume und frassen sämtliches Laub und alle Blüten. Dazu kam die kalte und nasse Witterung. Vom Hunger gezeichnete, abgemagerte und schwache Leute assen, was ihnen in die Finger kam. Statt zu verhungern, verlegten sich viele auf das Stehlen. Wer erwischt wurde, hatte hart zu büssen. Allein im Juni 1771 wurden 15 Personen dem Gericht zur Bestrafung übergeben»…»50 Todesfälle in einem MonatIm Juli 1771 starben allein in Wolfhalden 50 Personen, und auch in den folgenden Monaten waren viele Tote zu beklagen. «Zur hohen Sterblichkeit wegen Hungers trug zudem die rote Ruhr bei, die ebenfalls zahlreiche Opfer forderte. 1771 wurden im Kanton 899 Kinder geboren und 4238 Personen starben, sodass sich die Bevölkerung um 3339 Seelen verminderte», schreibt Walter Schläpfer. «1772 wurde die Fruchtsperre gelockert. Sofort fielen die Kornpreise auf die Hälfte, und rasch waren die schweren Zeiten vergessen. Statt wie in anderen Regionen Kornhäuser zu bauen und vorzusorgen, glaubten viele Appenzeller, dass solche Katastrophen als göttliche Strafen für Hochmut und Üppigkeit notwendig, unvermeidlich und hinzunehmen seien …»

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