Manche der mittleren Generation gestehen: «So ruhig haben wir es nie gehabt! Keine Einladung, keine Termine der Kinder. Für uns als Familie ist es eine Auszeit.» Eine Frau, die seit Jahren unter Schlafproblemen leidet, schläft durch. Weniger Verkehr, kein Freizeitstress und Klarheit, um Entscheidungen zu treffen.Für manch alleinerziehende Mutter ist es eine spannungsvolle Zeit. Ist sie selbstständig, brechen Aufträge weg, sorgt sie sich um das Geld für die Miete und um die Kinder. Sie trägt eine grosse Last. Hoffentlich meint sie nicht, alles allein schaffen zu müssen.Es ist eine herausfordernde Zeit für Pflegende in Heimen. Sie sind die einzigen Kontaktpersonen der Bewohner. Sie sorgen sich: Bringe ich das Virus ins Haus? Sie werden beklatscht, gerühmt, manchmal belohnt. Hoffentlich ändert die Krise unseren eher nachlässigen Umgang mit den Pflegenden und Reinigungskräften! Auf sie müssen sich Kranke verlassen, auf ihre Sorgfalt und Genauigkeit. Reinigungskräfte leisten Grosses, gerade in den Häusern, in denen Covid-19-Infizierte gepflegt werden. Sie sind zur Stelle, wenn ein Raum desinfiziert werden muss. Auch sie leben in Angst vor Ansteckung, haben im Dienst noch Zeit und Herz für ein gutes Wort an die Patienten.Eine gute Pflege und gut ausgestattete Mitarbeitende sind ein Aushängeschild einer Gesellschaft: Kranke, Alte und Pflegekräfte sind uns wichtig. Wir möchten, dass sie ihr Leben lang im Beruf schaffen und ihre Familie ernähren können. Das wünsche ich unseren Spitälern, Altersheimen und ambulanten Pflegediensten. Die Menschen, die für uns da sind, sind keine blossen Kostenfaktoren.Werden Kinder krank, machen sie Entwicklungsschritte. Ob sich unsere Gesellschaft zum Wohle aller entwickelt – trotz oder wegen der Erschütterung, dass wir nicht alles im Griff haben? Gehen wir mit Hoffnung oder ängstlich durch die Krise? Oder verbissen, weil wir dorthin zurück wollen, wo wir Anfang März gestartet sind?Drei Wochen nach Ostern lädt der Sonntag Jubilate zum Jubeln ein über die Schöpfung. Gott hat die Erde und uns geschaffen. Er wirkt weiter an uns und durch uns. Noch vor drei Monaten hielten wir es nicht für möglich, dass durch Politikerentscheide der Flugverkehr zum Erliegen kommen und die Natur aufatmen würde. Machen wir jetzt einen Entwicklungsschritt zum Wohle unserer Erde und der Ärmsten weltweit?Insofern ist jetzt Hoffnungszeit: Wir sind eingeladen, uns zu wandeln und nicht alles als Sachzwang hinzunehmen. Der Apostel Paulus sagt es so: «Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!» (2. Korinther 5,17).Der Gott des Lebens gebe uns seine Geistkraft, damit wir Hilfsbereitschaft, Kreativität und Gemeinsinn retten in unseren Alltag nach der Krise. Wir brauchen es!Silke DohrmannPfarrerin in Widnau