09.05.2019

Google-Maps aufgebaut

Der Marbacher Daniel Graf ist einer von wenigen Schweizern, der sich im Silicon Valley etablieren konnten. Google, Twitter und Uber waren seine beruflichen Stationen.

Von Andrea Kobler
aktualisiert am 03.11.2022
Andrea KoblerIm Kapuzenpullover, im hohen Gras zwischen Pusteblumen sitzend und mit neugierigen Augen in die Weite blickend. Dieses Bild habe ich vor Augen, wenn von Daniel Graf erzählt oder geschrieben wird. Mehr als ein Vierteljahrhundert sind vergangen, seit er in Marbach, das damals rund 1400 Einwohner zählte, die Primarschule besuchte. Will Graf, der heute Fahrdienstvermittler Uber in beratender Funktion zur Seite steht und Start-ups unterstützt, heute abschalten, dann am liebsten im Sonoma Valley. Gerne sitzt er dann mit einer Tasse Tee oder einem Glas Wein an der Feuerstelle und es kann gut sein, dass zu später Stunde ein Puma vorbeischaut. Daniel Graf ist Ostschweizer geblieben. Einer, der in seiner Freizeit gerne mit der Motorsäge einen Baum fällt oder ein Strässchen auf seinem 90 Hektaren grossen Grundstück baut. «Marbach Kalifornien heisst es hier. Das zeigt, wie wichtig mir meine Heimat ist», erzählt er mit einem Strahlen im Gesicht. Am NTB in Buchs ging die Tür aufDaniel Graf interessierte sich bereits früh für Technik. Als Dreizenjähriger, also rund zwei Jahre nachdem Steve Jobs den ersten Apple Lisa vorgestellt hatte, freute er sich über seinen ersten Computer. Nach Primar- und Sekundarschule in Marbach und Rebstein entschied sich Graf für die Lehre als Elektroniker bei der Leica in Heerbrugg. Später studierte er an der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs (NTB). Noch heute erinnert er sich gerne an jene «super» Zeit zurück. «Wir hatten eine gute Klasse und ich sah das erste Mal richtig in die Informatikwelt hinein. Hier ging die Tür auf. Ich entdeckte das Internet für mich und spürte die Möglichkeiten, die sich durch die neue Technologie eröffnen könnten.» Während der NTB entstand bei Graf der Wunsch, sein Studium an einem anderen Ort fortzusetzen. Er las Bücher über die ersten Internet-Start-ups in den USA. Dank einem Förderungsprogramm der ABB erhielt er einen Studienplatz: «Eine sensationelle Chance.» Leidenschaft Start-upsEr schloss sein Masterstudium nach elf Monaten ab, gründete aus dem Studium heraus sein erstes Start-up-Unternehmen: Die lehrreichste Phase seiner Karriere begann. Später arbeitete er bei Google und Twitter. Bei Uber war er für die Produkte-Organisation mit 1000 Mitarbeitenden verantwortlich. Dann entschied sich Graf für die Selbstständigkeit: «Sohn Nolan war ein Jahr alt. Ich hatte ihn in diesem für Uber turbulenten Jahr kaum gesehen. Deshalb wollte ich etwas ändern.» Start-ups sind noch heute die Leidenschaft von Daniel Graf. Sein Referat am Start Summit an der studentisch organisierten Entrepreneurship-Konferenz in St. Gallen war der Grund für seinen kürzlichen Europa-Aufenthalt. Er nutzte die Zeit auch, um sich in Berlin und Zürich mit Menschen aus der Branche zu treffen und sich neue Start-ups anzusehen. Natürlich fehlte ein Abstecher in die Berge ebenso wenig wie das Treffen mit Freunden und Familie. Er pflegt den Kontakt zu seiner Heimat wöchentlich: «Ein Teil meiner besten Freunde lebt im Rheintal. Das wird immer so sein.»Nützliche Produkte schaffenIst Graf in seiner alten Heimat, liebt er es, im Haus seiner Mutter Irma mit offener Balkontür zu arbeiten und ab und an einen Blick Richtung Alpstein mit Säntis und Hoher Kasten zu werfen: «Natur, so schön, dass sie kaum zu übertreffen ist.» Auch mit seiner Ehefrau Catherine und seinem Sohn Nolan durch Marbach zu gehen und zu zeigen, wo er aufgewachsen ist, findet er toll: «Das Wichtigste im Leben ist es, zufrieden zu sein, sei es in der Natur, der Familie oder bei der Arbeit.» Als Schönstes am Beruf erachtet er es, Produkte zu schaffen, die auch Menschen nutzen, die er nicht kennt. Dies ist ihm mit Google Maps gelungen: «Wohl braucht jeder einmal Google Maps. Dass ich dafür verantwortlich sein und das Produkt aufbauen konnte, war super spannend.»Grosses Wachstum in EuropaGeschäftlich will Daniel Graf auch zukünftig zusammen mit Start-ups, aber auch persönlich an neuen Ideen arbeiten. Privat liebt er die Natur, das naturverbundene Leben: «Letzten Herbst packten mein Vater Frank und ich den Rucksack und campten eine Woche in der Wildnis. Es war ein geniales Erlebnis und ich freue mich, das bald mit meinem Sohn machen zu können.Ist Daniel Graf für zwei bis drei Wochen in der Schweiz, fehlt ihm ausser dem neuen Familienmitglied, Hund Namu, nichts: «Doch Amerika ist meine neue Heimat geworden.» Und dennoch gibt es einige Dinge, die er vermisst, wenn er in den USA ist: «Mein Sohn Nolan wird nie wie die Kinder hier zu Fuss in die Schule gehen können.» Wenn er in die USA zurückfliegt, nimmt er Thomy Mayonnaise, ein gutes Fondue sowie Schoggimandeln vom Marbacher Beck mit, sowie eine wichtige Erkenntnis: «Dieses Jahr hat mich überrascht, wie schnell die Start-up-Welt in den letzten Jahren in Europa gewachsen ist und wie unglaublich erfolgreiche neue Internet-Unternehmen es in Europa gibt.»

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