Göttlich

Als die Tür des Lifts sich öffnet, erschrecke ich heftig, obwohl ich eigentlich nicht schreckhaft bin. Es genügt, dass jemand im Lift ist – im Altstätter Rathaus-Parkhaus, wo ich nicht damit gerechnet hatte. (Dafür wird es leider noch immer zu wenig genutzt.)Kurz darauf, im Rathaus-Restaurant, lese ich in der NZZ einen Beitrag des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek. Sein Text bezieht sich auf die in Ägypten laufende Diskussion, ob es verboten sein soll, nicht an Gott zu glauben. Da erschrecke ich noch mehr. Der ägyptische Kolumnist Khaled Salah soll allen Ernstes geschrieben haben, Atheismus und Terrorismus seien gleichermassen zerstörerisch.Da lobe ich mir das kleine, schöne Ereignis zwischen dem Schrecken beim Lift und dem Schrecken beim Lesen. Christian, der Chef de Service, bringt mir mit den Worten «Nur das Beste für die Gäste» als Überraschung eine Schoko-Ovo-Mousse; die müsse ich probieren.Khaled Salah hatte laut Žižek einen «intellektuellen Salto mortale» für seine absurde Begründung vollführt, warum Nicht-Glaube bestraft werden soll. Das Mousse schmeckt ohne jede Argumentation einfach göttlich, ganz gleich, ob man nun Atheist ist oder an einen Schöpfer glaubt.Gert Bruderer