Die Pfarrei Widnau folgt mit dem Angelusläuten einer langen Tradition. Sie ist älter als die Pfarrei selbst. Papst Pius V. führte den Aufruf zum Gebet im 16. Jahrhundert ein.In St. Jakobus läuten die Glocken seit vielen Jahren jeden Morgen um 5.30 Uhr. Die Dorfgemeinschaft hatte sich an den lauten Klang gewöhnt. Er gehörte fest zum Tagesablauf und bietet Orientierung. «Das gilt heute nicht mehr für alle Menschen», sagt Kaplan Georg Changeth. «In Widnau leben heute viele Zugezogene. Das Dorf ist fast zur Stadt geworden.» Viele Menschen seien deshalb nicht an die Glocken gewöhnt und empfinden sie als störend.Mehrere Nachbarn der katholischen Kirche wandten sich an die Pfarrei und baten, zu überlegen, ob das frühe Glockenläuten noch zeitgemäss sei. «Viele Leute schlafen noch um die Zeit und beten nicht», sagt Georg Changeth. «Die Menschen sind uns wichtig. Wir wollen vermeiden, dass sie wegen der Glocken unter Schlafstörungen leiden.»Also beschlossen Kaplan, Kirchenverwaltungsrat und Pfarreirat einstimmig, das Betläuten am Morgen zwar nicht abzuschaffen, es aber um eineinhalb Stunden nach hinten zu verschieben. «Erst wenn die Menschen wach sind, können sie beten.» Die neue Läutordnung tritt zu Beginn des neuen Kirchenjahres, am ersten Advent, in Kraft. Kirchenglocken begleiten den Christen durch sein Leben. Sie läuten zur Taufe, Erstkommunion, Firmung und Bestattung. Sie zeigen nicht nur die Zeit an, sie rufen die Gläubigen auch zum gemeinschaftlichen Gottesdienst und erinnern an die regelmässigen Gebetszeiten. Das Läuten vereint die Menschen zum Gebet, auch wenn sie nicht zur Kirche kommen können, wie zum Beispiel in der Pandemie oder aus anderen gesundheitlichen Gründen.Das Angelusgeläut ist solch ein Aufruf zum Gebet und Innehalten. «Das Gebet steigt empor zu Gott wie der Weihrauch und der Klang der Glocken», sagt Georg Changeth. Erklingen die Glocken am Morgen, sollen sich die katholischen Gläubigen an die Begebenheit erinnern, als der Erzengel Gabriel der Gottesmutter Maria erschienen ist und ihr die Geburt Jesu verkündigt hat.«Der Glockenklang ist ein Zeichen unserer Hoffnung, dass Jesus für uns da ist. Er ist der Mensch gewordene Sohn Gottes.» Georg Changeth wünscht sich, dass viele Gläubige das Angelusgebet neu entdecken und praktizieren.Monika von der Linden