Wir haben den Gleichstellungsbonus verpasst – rund 1350 Franken. Der Bonus ist so ausgelegt, dass vom gesamten Elternschaftsurlaub – also allen 480 bezahlten Tagen – beide Elternteile gleich viel beziehen müssen, dann gibt es diesen Zustupf ins Portemonnaie. Mein Mann hat jedoch mehr als ich bezogen – und wir haben darum den Bonus verpasst.Wer jetzt ins Grübeln kommt, dem kann versichert werden, nein, das war natürlich nicht in der Schweiz. Meine Familie und ich sind vor ein paar Wochen aus dem kalten Nordschweden ins Rheintal gezogen. Für mich, eine ursprüngliche Hinterforsterin, war es ein Zurückkehren. Jedoch haben mein schwedischer Partner und ich zwölf Jahre lang in Schweden gewohnt, unsere vier Kinder kamen dort zur Welt, alle unsere Erfahrungen und unsere Identität als Eltern sind auf Schwedisch getrimmt.Das System ermöglicht beidesBevor ich nach Schweden zog, war ich davon überzeugt, nie Kinder bekommen zu wollen. Ich hatte viel Zeit, Energie und Geld in meine Ausbildung investiert, wollte Karriere machen. Diese Ansicht hat sich relativiert, denn das schwedische System ermöglicht beides. Bevor wir jetzt zurück gezogen sind, um unseren Kindern beide Kulturen mit auf den Weg zu geben, haben wir uns viele Gedanken gemacht über die Rollenverteilung in der Gesellschaft, in die wir hineinziehen.Aus meiner Zeit als Kind und junge Erwachsene in der Schweiz kann ich mich nicht an viele Beispiele im Alltagsleben erinnern, in dem Väter hauptsächlich zu Hause und Mütter hauptsächlich auswärts gearbeitet hatten, also Familien, die dieses Modell bewusst wählten. Doch ich habe gemerkt: Auch wenn Veränderungen in der Schweiz immer etwas länger dauern, hier ist viel passiert. Betreuter Mittagstisch und Tagesstrukturen, Arbeitgeber, die Homeoffice ermöglichen und erkannt haben, dass viele Teilzeitarbeitnehmer mehr Arbeitsvolumen in ihren Stellenprozenten unterbringen, als sie eigentlich müssten.Und jetzt wird schweizweit über zwei Wochen Vaterschaftsurlaub diskutiert. Auch wenn zwei Wochen Vaterschaftsurlaub und drei Monate Mutterschaftsurlaub – verglichen mit den 480 Tagen Elternschaftsurlaub in Schweden – immer noch relativ wenig sind, so folgen wir in unserer Familie der Debatte mit grossem Interesse. Denn unsere persönliche Alltagsplanung sticht hier immer noch etwas heraus. Sie stösst allerdings auf positive Rückmeldungen. Um nicht zu sagen extrem positive Rückmeldungen. In beinahe überschwänglichem Masse wird mein – sehr gut ausgebildeter – Mann dafür gerühmt, dass er gerade wieder einmal für mindestens ein halbes Jahr mit den Kids zu Hause ist. Wir freuen uns über die netten Kommentare, hoffen aber, dass verschiedene Modelle auch hier vermehrt auf einfachem Wege möglich gemacht werden.Mehr Wahlmöglichkeiten für die AlltagsplanungMan muss es vielleicht nicht so weit treiben, dass man einen Bonus verpassen kann, nur weil der Papi «zu viel» Verantwortung zu Hause für seine Kinder übernimmt. Aber als Frau vor der Wahl, mit einer etwas anderen Alltagserfahrung in den letzten Jahren, hoffe ich für meine vier Kinder – zwei Mädchen und zwei Jungs – auf eine auf allen Ebenen erleichterte eigene Wahlmöglichkeit, wenn es später darum geht, Familie mit Beruf zu vereinen.HinweisIn drei Wochen finden die kommunalen Wahlen statt. Die Redaktorinnen dieser Zeitung fangen im Vorfeld die Stimmung der Frauen im Rheintal ein und schildern verschiedene Perspektiven.