05.10.2020

Gestalten, prägen, weiterkommen

In der Ostschweiz ist der Schweizerische Werkbund mit einem Vorstand vertreten, der zur Hälfte aus Rheintalern besteht.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Schweizerischer Werkbund? Diese traditionsreiche Vereinigung von Gestalterinnen und Gestaltern dürften die wenigsten kennen. Etwa zehn Rheintalerinnen und Rheintaler gehören dem Werkbund an, landesweit hat die Vereinigung 900 Mitglieder.Obschon eine Art Insiderorganisation, kann das Wirken des Werkbundes deutlich sichtbare Folgen haben.Das Endziel ist stets Qualitätsarbeit und somit eine höhere Produktqualität. Dazu ein Beispiel.Ein Kunde mit klarer Vorstellung wollte einen bestimmten Stoff digital bedrucken lassen. Anders als der beauftrage Fachmann, erkannte die in Balgach lebende Raumgestalterin Helena Zoller, dass eine horizontale Naht bei Licht als lästiger Strich durchs ganze Bild wahrnehmbar gewesen wäre.Wie sehr solches Zusammenwirken letztlich die Gestaltung des öffentlichen Raums wohltuend beeinflussen kann, verdeutlicht der in Berneck lebende Landschaftsarchitekt Marcel Specker mit einem weiteren Beispiel. Die Besichtigung einer Textilfirma und anschliessende Auseinandersetzung mit sie betreffenden Themen dürfte massgeblich zur Gestaltung einer Fassade beigetragen haben. Im Rahmen einer Parkgestaltung entstand ein Pavillon, dessen sichtbare Hülle wie ein herabhängendes Tuch gestaltet wurde.Einen Stichentscheid gibt es nieDem Schweizerischen Werkbund gehören gestalterisch tätige Berufsleute an – Architekten, Möbelbauer, Lichtplaner, Fotografen, Bildhauer, Schlosser, Typografen und manche mehr. Die sogenannte Ortsgruppe Ostschweiz ist eine von landesweit acht Gruppen.Dem sechsköpfigen Vorstand steht niemand vor, was bedeutet, dass offene Fragen oder Probleme ausschliesslich mit Diskussionen beantwortbar bzw. lösbar sind. Einen Stichentscheid gibt es nie.Früher hatte sich das Werkbund-Mitglied Jesco Hutter, ein bekannter Architekt aus Heerbrugg, für den Werkbund eingesetzt, seit drei Jahren gehört Joshua Loher aus Widnau dem Vorstand der Ortsgruppe Ost- schweiz an, deren Gebiet sich über die Kantone St.Gallen, beide Appenzell, Thurgau, Glarus sowie das Fürstentum Liechtenstein erstreckt. Nachdem im Jahr darauf der Bernecker Marcel Specker und letztes Jahr auch Helena Zoller dem Vorstand beitraten, besteht dieser zur Hälfte aus Rheintaler Kräften. Scherzhaft meint Joshua Loher sogleich, eine Machtübernahme sei aber nicht angestrebt.Weiterkommen dank gegenseitigen AustauschsDas Trio und generell alle Werkbund-Mitglieder verbindet ein überdurchschnittlicher Anspruch, der weit über Verkaufsargumente hinausgeht. Die Werkbund-Mitglieder haben das Gestalten um des Gestaltens Willen und die so zum Ausdruck kommende Ästhetik im Sinn – die Gestaltung als bewussten, nicht beiläufigen Akt.Mit diesem hohen Anspruch geht viel interdisziplinäre Auseinandersetzung einher, viel Diskussion mit gleichgesinnten gestalterisch tätigen Berufsleuten aus anderen Sparten. Auch das Fahnden nach Fehlerquellen ist ein Aspekt, die Frage nach ihrer Behebung, also der gegenseitige Austausch, der alle weiterbringt.Joshua Loher und seinen Gesinnungsfreunden schwebt eine weitere Stärkung des Werkbundes vor, der in den letzten Jahren die Zahl seiner Mitglieder verdoppeln konnte. Denn gerade die tendenziell als «Einzelkämpfer» wirkenden Gestalterinnen und Gestalter, die konzentriert ihrer Arbeit nachgehen, sollten nach Lohers Ansicht noch näher zusammenrücken, Gestaltungsprozessen gemeinsam noch mehr Gewicht verleihen und vom Rückhalt profitieren, den der Werkbund gibt.Helena Zoller sagt: «Wer gestaltend tätig ist, will auch prägen.» Denn gestalterische Arbeit ist nicht auf ein Atelier oder Ausstellungsräume beschränkt. Im Gegenteil bereichert sie sehr oft den öffentlichen Raum. Zum Beispiel eine Parkgestaltung, ein Haus, eine Strassenlampe – alles kann so oder anders gemacht werden, mit Nullachtfünfzehn-Einstellung oder mit hohem Anspruch.Die Ortsgruppe Ostschweiz führt alle paar Wochen einen Anlass durch, für dieses Jahr stehen noch eine Reise ins Glarnerland und der Besuch eines Stickerei-Ateliers auf dem Programm. Im August war man gemeinsam zwischen den Hügeln des Appenzellerlandes unterwegs.Einer Filmvorführung wohnte der Regisseur beiWie der Werkbund die Aufmerksamkeit seiner Mitglieder gezielt auf interessante Themen legt, zeigte letztes Jahr auch eine Filmvorführung in Heerbrugg. Der fast eineinhalbstündige, humorvolle Dokumentarfilm «Ly-Ling und Herr Urgesi» beschreibt die Zusammenarbeit zwischen dem traditionellen Feinmassschneider Cosimo Urgesi und der Modedesignerin Ly-Ling Vilaysane. Regisseur Giancarlo Moos und Ly-Ling Vilaysane waren bei der Vorführung im «Madlen» zugegen.Mehr anregende Nähe zwischen Gestalterinnen und Gestaltern ist kaum mehr möglich.

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