16.02.2019

Gesellschaftskritik mit Sprengkraft

Von Stefan Kiesewetter
aktualisiert am 03.11.2022
Im ersten Moment klingt die Botschaft des heutigen Evangeliums (Lk 6, 17. 20–26) wie eine Vertröstung auf bessere Zeiten: Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden; selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.Hatten die Religionskritiker des 19. und 20. Jahrhunderts etwa recht, als sie beispielsweise die Botschaft des Christentums bloss als «das Opium des Volkes», oder als «Vertröstung auf ein besseres Jenseits» (vgl. Karl Marx) deuteten?Oberflächlich betrachtet könnte man den Eindruck gewinnen, dass dies der Fall ist. Liest man sich den Text des heutigen Evangeliums genauer durch, bemerkt man die Sprengkraft der Gesellschaftskritik: Es sind Ermahnungen, die an diejenigen gerichtet sind, denen es gut geht und die die Not und das Leid der «Verlierer der Gesellschaft» vergessen.Jesu Worte richten sich an seine Jünger, also an alle Gläubigen, und beinhalten einen tieferen Sinn. Mit den Begriffen Hunger und Trauer meint er mehr als bloss die physischen Zustände des Nicht-Sattseins oder das Fehlen von Freude. Er meint damit eine Sehnsucht nach Frieden und nach Gerechtigkeit sowie das Eintreten für eine menschenfreundliche Gesellschaft.Das Gegenstück zu den Seligpreisungen sind die Weh-euch-Worte, die Jesus an jene richtet, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.Christsein bedeutet mit offenen Augen und einem gläubigen Herz durch die Welt zu gehen. Es birgt in sich den Auftrag, die Botschaft Jesu zu leben.Der Dualismus des heutigen Evangeliums spitzt sich in der künftigen Perspektive zu: Jenen, die ihr Leben für andere einsetzen, verspricht Jesus: «Euer Lohn im Himmel wird gross sein!» Denjenigen, deren Welt nur um sich selbst kreist, prophezeit Christus ein düsteres Ende: «Ihr werdet klagen und weinen!»Christsein, sein Leben also nach der Botschaft Jesu auszurichten, ist somit eine bewusste Entscheidung. Die damit verbundene Lebensweise ist eine gewollte Abkehr von Egoismus und Selbstliebe, die jedoch oft belächelt und verspottet wird.Die Orientierung an der menschenfreundlichen Lehre Christi bedeutet nicht nur, zum eigenen Vorteil zu handeln, sondern sich für die Anderen, für die Aussenseiter der Gesellschaft einzusetzen. Erst durch diesen Paradigmenwechsel erfährt man, was es heisst, Christ zu sein, bzw. sich an den Worten Jesu zu orientieren. Der Glaube an Jesus ist somit keine blosse Vertröstung auf ein besseres Jenseits, sondern ein Auftrag, die Liebe Gottes im Hier und Jetzt vorzuleben und aufzuzeigen. Das ist gelebter Glaube!Stefan KiesewetterPastoralassistent in Au

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