Wer weiss heute noch, welche Covidverordnungen vor knapp zwei Jahren gültig waren? Und was im Speziellen für Gastronomiebetriebe galt? Die meisten dürften wohl mit einem Schulterzucken reagieren. Seinerzeit, der Lockdown war wenige Wochen zuvor aufgehoben worden, durften Restaurants Gäste bewirten, jedoch nur bis Mitternacht.Im Raucherbereich des Lokals, für das der Beschuldigte als stellvertretender Wirt verantwortlich war, befanden sich am 7. Juni 2020, morgens gegen 3 Uhr, nebst dem Beschuldigten noch vier weitere Personen, darunter eine Servicemitarbeiterin. Dies stellte die Polizei bei einer Kontrolle fest und brachte den Verstoss gegen die geltende Verordnung zur Anzeige.Staatsanwaltschaft forderte unbedingte GeldstrafeDas Untersuchungsamt Altstätten stellte dem Beschuldigten im November 2020 einen Strafbefehl über die Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 160 Franken (unbedingt) zuzüglich Gebühren – gesamthaft 5500 Franken – zu. Gegen den Strafbefehl legte der Oberrheintaler Einsprache ein. Letzte Woche musste das Kreisgericht Rheintal über den Fall entscheiden.Zu klären waren mehrere Aspekte: War die Tür des Lokals verschlossen? Brannte Licht in der Beiz, oder draussen? Befand sich eine Tafel vor der Tür? Wurden Getränke serviert und bezahlt? Im Fokus stand zudem die Art des Kontakts, die den Beschuldigten mit den vier Personen verband, die allesamt als Zeugen respektive Zeugin vorgeladen waren.Die stoische Befragung durch den Richter dauerte etwa drei Stunden. Ein Zeuge geschäftet nach eigener Aussage mit dem Beschuldigten, der noch an einem weiteren Gastrobetrieb beteiligt und in anderer Branche selbstständig ist. Auch habe man gemeinsam Geburtstag gefeiert. Die Servicekraft traf ihren Chef mal zufällig im Ausgang, mal verabredeten sie sich. Sie habe beim Eintreffen der Polizei geputzt, das dauere in etwa zwei bis drei Stunden. Getränke habe sie nicht serviert. Ein weiterer Zeuge, der bereits ab 20 Uhr am Vorabend des Vorfalls mit dem Beschuldigten im Lokal zusammen gesessen haben will, gab schliesslich an, der Beschuldigte sei seit rund sieben Jahren ein «Geschäftspartner und Kollege». Um Mitternacht sei an jenem Tag vor zwei Jahren das Lokal geschlossen worden und die letzten zehn bis 15 Gäste seien gegangen.Die Beiz kontrolliert, weil nachts noch Licht brannteIhm habe sich ein «Gelage» geboten, mit Gläsern, Flaschen und Aschenbechern auf dem Tisch, erinnerte sich der Polizist, der den Rapport erstellt hatte, vor Gericht. Die Kontrolle sei kurz gewesen, die Anwesenden beim Anblick der Polizei nicht erschrocken. «Die grösste Gefahr ging vom Rauchen aus», gab der Polizist an.Auf das Lokal aufmerksam geworden war der Beamte, der mit einer Kollegin eine Routinepatrouillenfahrt unternahm, nur deshalb, weil gegen 3 Uhr morgens im Restaurant noch Licht gebrannt habe. Die Eingangstür sei unverschlossen gewesen. «Mein Eindruck: Das Lokal war offen, mit den letzten Gästen», sagte der Polizist.«Wir wussten, es gibt brutal Ärger, wenn man es nicht korrekt macht mit den Coronavorschriften», gab der beschuldigte Gastrounternehmer an. Der heute Vierzigjährige ist vorbestraft. Dies unter anderem, weil er Strassensignalisationen nicht beachtet hatte sowie fahrunfähig unterwegs war. Zudem hatte er die Ausweispapiere und Bewilligungen nicht dabei. Das ihm vorgeworfene Vergehen vom Juni 2020 fiel in die noch laufende Probezeit. Er fühle sich «unschuldig», so der Beschuldigte. Das Lokal sei um Mitternacht geschlossen worden. Mit einem der Zeugen, dem Kollegen, habe er den Abend über in der Beiz gesessen. Gegen halb drei sei dann zufällig der Geschäftskollege mit einem Bekannten vorbeigekommen. Gemeinsam habe man noch weiterziehen wollen.Weil alle darauf warteten, von einem wiederum anderen Bekannten mit dem Auto abgeholt zu werden, sei die Eingangstür zwischenzeitlich vielleicht unverschlossen gewesen. Es habe sich aber um ein privates Treffen gehandelt. Getränke seien weder serviert noch bezahlt worden, erklärt der Beschuldigte. «Vielleicht habe ich zur Servicemitarbeiterin gesagt: ‹Gib mir mal eine Flasche rüber›», erinnerte sich der Beschuldigte.Das Gericht vertagte sich nach vier Stunden auf den Nachmittag. Dann sprach der Richter den Beschuldigten frei und bezog sich dabei auch auf den Passus, wonach im Zweifel zugunsten der beschuldigten Person zu entscheiden sei. Die Verfahrenskosten von 2700 Franken trägt der Staat. Ebenso die Kosten für den Rechtsanwalt, den der Beschuldigte beigezogen hatte. Sie belaufen sich auf 7840 Franken.In seinem rund halbstündigen Schlussplädoyer bezeichnete der Verteidiger das Vergehen als «Bagatellvorwurf», das ohne Corona lediglich eine kleine Busse nach sich gezogen hätte. Mit sichtlicher Begeisterung führte er juristische Auslegungen zu besagter Covidverordnung ins Feld, die unter anderem Zweifel an der erheblich verschärften Strafandrohung zum Thema hatten. 1875 Minuten hatte der Jurist in die Verteidigung seines Klienten investiert. Es ist schwer zu sagen, wer sich mehr über den Ausgang des Verfahrens freute.