10.02.2022

Genf retour: mit Philipp unterwegs durch die Schweiz

Philipp schliesst diesen Sommer seine Lehre ab zum Fachmann Öffentlicher Verkehr EFZ, umgangssprachlich Kondukteur oder Kontrolleur genannt. Obwohl Billette zu kontrollieren seine Hauptbeschäftigung ist, gehört weit mehr zum Beruf dazu.

Von ag
aktualisiert am 02.11.2022
Name: Philipp Alter: 18 Wohnort: Hard-Oberriet und St. Gallen Beruf: Ausbildung Fachmann Öffentlicher Verkehr EFZWie bist du auf die Idee gekommen, diesen Beruf zu erlernen? Mein Onkel ist Kondukteur. Für mich war der Beruf eigentlich kein Thema, bis meine Zwillingsschwester bei ihm schnupperte. So habe auch ich den Beruf in Erwägung gezogen. Mir gefielen die unregelmässigen Arbeitszeiten und die Vorstellung, durch die Schweiz zu reisen.Welche Aufgaben gehören zu deinem Arbeitsalltag? Billette zu kontrollieren macht den grössten Teil aus und ist für mich auch am Interessantesten. Bei einer Störung muss ich Kunden informieren und eventuell sogar evakuieren. Bevor ein Zug am Morgen abfährt, wird eine Innenrevision im Güterbahnhof durchgeführt. Wir kontrollieren alle Sicherheitsvorkehrungen, sehen nach, ob Feuerlöscher sowie Nothämmer an Ort und Stelle sind, überprüfen die Toilettenfunktion und vieles mehr.Durch wie viele Kantone reist du pro Tag? Ich fahre bis nach Genf, da kommen also einige zusammen. Meine Route ändert sich aber stets, dadurch haben wir einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Den einzigen Landesteil, den ich nicht befahre, ist das Tessin, weil ich kein Italienisch spreche. Französisch funktioniert mit Händen und Füssen.Wie gelangst du an deinen Arbeitsplatz? Als Kondukteur muss man in der Nähe des Güterbahnhofs wohnen oder flexibel mit einem Auto anfahren können. Ich wohne in der St. Galler Altstadt und kann den Bahnhof zu Fuss erreichen. Ich gehöre zu den ersten, die im Zug sein müssen. Unser Arbeitgeber unterstützt uns, eine Wohnung in der Nähe des Bahnhofs zu finanzieren, damit wir jeden Dienst übernehmen können. Ich bin bei der Firma Login AG angestellt. Das ist ein Portal, das uns nach der Lehre beispielsweise an die Stellen der Schweizer Bahnunternehmen wie SBB, RhB oder BLS vermittelt.Mit welchen Aussagen zu deinem Beruf wirst du konfrontiert? Der Öffentliche Verkehr in der Schweiz wird oft mit Japan verglichen. Dort ist ein Zug, der 30 Sekunden später als geplant eintrifft, bereits verspätet. Eine hohe Messlatte. Bei uns darf nicht vergessen gehen, dass wir Anschlüsse haben bis nach Kobelwald oder Eichberg, und das Umsteigen nimmt Zeit in Anspruch. Auch in Japan gibt es keine schnellen Verbindungen bis ins hinterste Örtchen.Kommt es oft zu Konflikten mit Fahrgästen? Eigentlich jeden Tag. Die meisten Konflikte entstehen momentan mit Fahrgästen, die sich weigern, eine Maske zu tragen. Wenn sie keine Einsicht zeigen und auch nicht aussteigen wollen, müssen wir die Polizei oder die Bahnpolizei aufbieten. Ein Vorwurf, den wir oft hören, ist Rassismus bei Kontrollen. Das ist aber ausgeschlossen, denn es werden schlichtweg alle kontrolliert.Passieren weitere, spezielle Momente bei der Arbeit? Ja, vor allem in städtischen Regionen wie in Zürich. Gewisse Kundinnen und Kunden sind uns bekannt. Beispielsweise ein Herr, der immer seinen Spruch bringt: «Ich habe das Schweizerische Generalabonnement der Schweizerischen Bundesbahn» und anschliessend durch den ganzen Zug rennt. Dann ist da noch einer, der nie ein Billett hat, aber wir kennen seine Adresse.Welche Fahrgäste sind die unfreundlichsten? Pendler, egal welchen Alters. Vor allem auf der Strecke Zürich – St. Gallen. Kein Hallo, kein Danke, kein Bitte und Kopfhörer auf den Ohren. Ich muss immer freundlich bleiben. Manchmal fällt das schwer. Kontrolleur zu sein ist bestimmt nicht der dankbarste Beruf.Was machst du, wenn sich jemand in der Toilette einschliesst? Erst klopfen, doch meist wird die Tür nicht geöffnet. Dann sage ich: «Ich komme jetzt herein» und öffne die Tür. Meine Berufsbildnerin erlebte einen Fall, da stand eine Gruppe von acht Personen vor ihr. Wer sich vor einer Kontrolle drückt, muss zusätzlich 100 Franken zur Busse bezahlen. Wenn jemand wegrennt, kommen weitere 100 Franken hinzu. Im teuersten Fall zahlen Schwarzfahrende bis zu 300 Franken. 

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