27.04.2021

Gemeinsam den Klimawandel bekämpfen

Weil ältere Frauen stark von der globalen Erwärmung betroffen sind, fordern sie mehr Engagement. Auch im Rheintal gibt’s Klimaseniorinnen.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin Schmid«Es ist bereits fünf nach zwölf», sagt Alt-Nationalrätin Margrit Kessler aus Altstätten, «und trotzdem sind die Weichen immer noch nicht gestellt.» Früher stärkte sie Patienten den Rücken und schützte ihre Interessen, heute engagiert sich die 72-Jährige als Klimaseniorin noch mehr für den Umweltschutz. Zusammen mit Marianne Hangartner aus Balgach und Berta Thurnherr aus Diepoldsau sowie weiteren knapp 2000 Seniorinnen sind sie Teil des 2016 gegründeten Vereins «Klimaseniorinnen». «Wir sind der Meinung, dass der Bundesrat zu wenig gegen die Erderwärmung unternimmt, und fordern stärkere Massnahmen», sagt Berta Thurnherr. Deshalb reichte der Verein noch im Gründungsjahr sein Begehren nach verstärkten Klimazielen beim Bund ein.Die Enkelkinder finden es «megacool»Berta Thurnherr, die noch in diesem Frühsommer mit dem Anerkennungspreis der St. Gallischen Kulturstiftung ausgezeichnet wird, war von Anfang an dabei. «Es ist eine Schande», sagt die Geschichtensammlerin, «während unsere Generation mit ihrer Konsum- und Reiselust unverantwortlich gehandelt hat, müssen sich unsere Nachkommen für eine gesunde Umwelt einsetzen.» Als sie hörte, dass sich alte Frauen fürs Klima starkmachen wollen, sei sie sofort beigetreten. «Die Enkelkinder finden das megacool», sagt die 75-Jährige. Und doch hat ihre Unterstützung auch einen pragmatischen Grund: «Von den zunehmenden Hitzewellen sind wir älteren Menschen die am stärksten Betroffenen, denn unsere Gesundheitsbeeinträchtigungen und unsere Mortalität sind besonders hoch.»Für Marianne Hangartner, die jahrelang als Geschäftsführerin des Claro-Ladens St. Gallen amtete, war es selbstverständlich, den Verein zu unterstützen. «Klimaschutz ist so wichtig, dass man überall, wo es möglich ist, etwas dafür tun sollte», sagt die 70-Jährige. Ausserdem sei es eine Möglichkeit, das berechtigte Anliegen der Klimajugend zu unterstützen. In der Klimakrise müsse die Schweiz mit wirkungsvollen Klimaschutzmassnahmen die Rechte auf Leben und Gesundheit schützen. Obschon der Bund nicht auf das Begehren der Klimaseniorinnen eingegangen ist und auch die im Folgenden eingereichte Beschwerde vom Bundesverfassungsgericht im Mai 2020 abgewiesen wurde, liessen sich die Seniorinnen nicht beirren. «Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass ältere Frauen besonders unter der Hitze leiden», sagt Margrit Kessler. Bereits als Nationalrätin der Grünliberalen beschäftigte sie der stetige Anstieg von CO2 und dessen Folgen. Doch weil in der Politik alles sehr langsam gehe, habe man keine Zeit mehr zuzuwarten. «Wir müssen mehr Druck ausüben, damit grössere Anstrengungen unternommen werden als beim vorgesehenen CO2-Gesetz», sagt die Altstätterin. Deshalb hätten die Klimaseniorinnen den Fall an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strasbourg weitergezogen. Dieser gab Ende März grünes Licht für die Beschwerde. «Wir begrüssen, dass sich die Schweiz nun zu den Argumenten der Klimaseniorinnen wird äussern müssen», sagt die Alt-Nationalrätin.Eine lebenswerte Umwelt hinterlassenMarianne Hangartner möchte vor allem durch ihr eigenes Verhalten andere vom Umweltschutz überzeugen: «Mein Partner und ich besitzen kein Auto, sind in den letzten 20 Jahren nur einmal geflogen und pflegen einen naturnahen Garten mit vielen einheimischen Pflanzen.» Ausserdem kaufe sie bewusst regionale, biologische Fairtrade-Produkte und versuche möglichst wenig Abfall zu produzieren. «Ich missioniere nicht, ich bin Vorbild durch mein Verhalten», sagt Berta Thurnherr. Statt mit dem Auto zu fahren, benutze sie das Velo oder den Zug. Sie achte beim Einkaufen auf nachhaltig produzierte Lebensmittel und Textilien. Ausserdem wohne sie in einem isolierten Haus mit Photovoltaik-Anlage und Wärmepumpen-Heizung. «Das ist nicht viel», sagt die pensionierte Kindergärtnerin, «aber wenn alle so leben würden, dann müssen wir nicht über Gletscherschwund trauern.» «Es gibt viele Möglichkeiten, nachhaltig einzukaufen, wenig Abfall zu produzieren und diesen richtig zu sortieren», sagt Margrit Kessler. Sie fahre fast ausschliesslich mit dem Zug und sei in der Lage, den Strom fürs Haus selbst zu produzieren. Weniger, dafür erneuerbare Energie zu verbrauchen, sei ebenso ein wichtiger Faktor wie neue Möglichkeiten zur Energiespeicherung zu erforschen. In der Schweiz gebe es viele kluge Forscher, denen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, um Technologien im Kampf gegen die Klimaerwärmung zu finden. «Wir können nicht verlangen, dass Drittweltländer diese Arbeit übernehmen», sagt die Alt-Nationalrätin. HinweisWeitere Informationen unterklimaseniorinnen.ch

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