13.09.2019

Gemeinden gegen «Gärten des Grauens»

Heiden hat mit den neuen Gestaltungsrichtlinien für Gärten einen Nerv getroffen. Macht das nun Schule in anderen Gemeinden?

Von Karin Erni und Claudio Weder
aktualisiert am 03.11.2022
Hausbesitzer in Heiden erhalten in einigen Tagen Post von der Gemeinde. In einer zwölfseitigen Broschüre wird anhand konkreter Beispiele aufgezeigt, wie eine Gartengestaltung aussieht, die mit dem geschützten Ortsbild verträglich ist. Diese Broschüre soll bei Umbauten und Neuanlagen von Gartenanlagen als verbindliche Richtschnur im Bewilligungsverfahren dienen, heisst es seitens der Gemeinde. Mitautor des Werks ist der Heidler Gemeinderat Hans-Peter Häderli. «Wir wollen längerfristig sicherstellen, dass das geschützte Ortsbild von Heiden erhalten bleibt. Dazu gehört auch die Gartengestaltung. Das sind wir den Einwohnern und Touristen schuldig.»Die Anmutung des Dorfbildes soll einen ländlichen Charakter mit einer gewissen Urbanität beibehalten und sich nicht schleichend dem einer Agglomeration annähern, so Häderli weiter. «Mit Folie versiegelte Steingärten, sogenannte Steinwüsten, mit grobem Schotter gefüllte Metallkörbe, Mauern aus chinesischen Granitklötzen und massive Sichtschutzwände – hier wollen wir sensibilisieren im Sinne biodiverser Grünflächen und ökologischer Gärten.»Die Gemeinde empfiehlt, mit einheimischen Materialien wie Holz und Sandstein zu arbeiten und angepasste Grünpflanzen als Gestaltungselemente einzusetzen. «Wenn alle Grundeigentümer genau wissen, was erlaubt und erwünscht ist, gibt es weniger Streitfälle», ist Häderli überzeugt. Das Echo auf das Reglement sei riesig und bis jetzt durchwegs positiv. «Sogar der Gärtnerverband Jardin Suisse hat uns dafür gelobt.»Doch man wolle die Verhältnismässigkeit wahren, versichert Hans-Peter Häderli. «Wir wollen ein lebenswertes Dorf bleiben. Das bedingt einerseits eine moderne Entwicklung und Veränderung, doch soll diese möglichst ortsbildverträglich erfolgen.» Er nennt als Beispiel das Werd-Quartier. Die dortigen kleinen Häuser aus dem 19. Jahrhundert verfügen nur über kleine Gärten und keine Garagen. «Die Richtlinien für die Aussengestaltung zeigen den Eigentümern jetzt den Spielraum, in dessen Rahmen sie ihre Garagen und Gärten gestalten können, ohne den für unsere Gegend typischen Charakter des Quartiers zu zerstören», so der Gemeinderat.Auch andere Gemeinden sind mit Problem konfrontiertNeben Heiden kämpft auch die Gemeinde Gais mit wildwuchernden Steingärten, wie Bausekretär Markus Nef auf Anfrage bestätigt. «Eine Richtlinie für gestalterische Angelegenheiten wie in Heiden wäre wünschenswert», sagt er. Gestaltung sei nämlich keine Geschmackssache und lasse sich sehr wohl definieren. Auch in Herisau werden Steinwüsten nicht gern gesehen, sagt Thomas Walliser, Kommunikationsverantwortlicher der Gemeinde. «Grundsätzlich widersprechen die Steingärten unserem Bestreben, die Biodiversität auf Gemeindegebiet zu fördern. Wir sehen sie also nicht gerne und versuchen die Bauherren anders zu beraten.»Eine Handhabe, Steinwüsten in privaten Vorgärten generell zu verhindern, habe die Gemeinde nicht. «Allerdings müssen Bauherren bei der Baueingabe festhalten, wie die Begrünung gedacht ist. Wir empfehlen dort immer, einheimische Gewächse zu nehmen. Hält sich jemand nicht an die gemachten Angaben in der Baueingabe, merken wir das und schreiten ein.» Walliser verweist auf einen aktuellen Fall, in dem ein Bauherr eine Steinwüste hingesetzt hat, obwohl in den Bauplänen Pflanzen vorgesehen waren. «Dies muss er nun berichtigen.»Steingärten lösen kontroverse Diskussionen ausEin weniger akutes Problem scheinen die wuchernden Steingärten in Trogen zu sein. «Im Grossen und Ganzen gehen unsere Hausbesitzer und Einwohner verantwortungsvoll mit der Umgebung um», sagt Marc Fahrni, Gemeinderat und Präsident der Baubewilligungs- und Planungskommission. Meist seien es Zugezogene aus anderen Kantonen, die nicht wüssten, was die Qualität eines Gartens im Appenzellerland ausmacht. «Letztlich ist es aber eine Frage des Geschmacks – und der ist subjektiv.»Trotzdem oder gerade deshalb führt das Thema Steingärten innerhalb der Baukommission immer wieder zu kontroversen Diskussionen, so Fahrni weiter. «Wir hatten in einem Fall von zu hohen und zu dichten Sichtschutzwänden in einer untypischen Materialisierung die Bewilligung verweigert und die Nachbesserung des Gesuchs verlangt.» Auch frisch gebrochene Granitsteine in einem Steingarten oder «Tessiner» Terrassierungen in einem Garten in der Ortsbildschutzzone habe die Baukommission schon kontrovers diskutiert.Um das Ortsbild ist man nicht zuletzt auch in Teufen besorgt. «Zum Ortsbild zählen neben den Bauten auch die privaten Vorbereiche und Gärten sowie die öffentlichen Strassen, Plätze und Freianlagen. Der Eindruck als Ganzes, respektive das Zusammenspiel der verschiedenen Teilbereiche ist von grösster Bedeutung», sagt Pius Neuländner, Leiter Baubewilligungen der Gemeinde Teufen. Steingärten und Sichtschutzwände seien keine ortstypischen Elemente und wirken grundsätzlich fremd und trennend im Ortsbild. «Die Baubewilligungsbehörde kann die neuen Gestaltungsrichtlinien und Empfehlungen zu den Aussenräumen der Gemeinde Heiden deshalb sehr gut nachvollziehen.» Die Baubewilligungsbehörde Teufen geht diese Problematik einzelfallweise an und kann dabei auf die Unterstützung des Fachgremiums für Architektur- und Ortsbildberatung zählen.

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