15.10.2020

Gegenvorschlag erhält Gegenwind

Die Landsgemeinde soll entscheiden, ob der Windkraftstandort bei Oberegg definitiv im Richtplan festgesetzt wird.

Von Claudio Weder
aktualisiert am 03.11.2022
Mit der Initiative «Pro Windenergie» will ein überparteiliches Komitee der Windenergie in Innerrhoden zum Durchbruch verhelfen. Im Zentrum des Begehrens steht die Forderung nach einem neuen Windenergiegesetz und darin wiederum die Forderung, dass bis 2025 mindestens 10 Millionen Kilowattstunden mehr Energie pro Jahr mittels Windkraftwerken erzeugt werden soll als 2018.Am besten liesse sich dieses Ziel gemäss Initianten am Standort Honegg-Oberfeld bei Oberegg erreichen, für den bereits ein pfannenfertiges Windenergieprojekt vorliegt.Die Standeskommission hat kürzlich einen Gegenvorschlag zur Initiative präsentiert. Dieser wird am Montag im Grossen Rat behandelt. Die Standeskommission schlägt eine Ergänzung des Energiegesetzes vor: Der Kanton soll zum einen verpflichtet werden, «günstige Rahmenbedingungen für die Erzeugung von erneuerbarer Energie» zu schaffen. Zum anderen soll die Landsgemeinde darüber entscheiden, ob der Standort Honegg als definitiver Windkraftstandort im Richtplan festgesetzt wird. Rückblick: Im November 2018 hat die Standeskommission sich dagegen entschieden, das Gebiet Honegg als definitiven Standort im Richtplan festzusetzen. Hauptargument für die Ablehnung bildete die Unverträglichkeit der geplanten Windkraftanlage mit dem Landschaftsbild. «Richtplanentscheide gehören nicht vors Volk»Der Vorschlag der Standeskommission, die Landsgemeinde über die Richtplanänderung entscheiden zu lassen, kommt indes nicht überall gut an. So vertritt etwa die Kommission für öffentliche Bauten, Verkehr, Energie, Raumplanung und Umwelt (BauKo) die Meinung, dass Entscheide, die den Richtplan betreffen, nicht an die Landsgemeinde gehören. «Ein Landsgemeindeentscheid zur definitiven Festsetzung des Windkraftstandorts Honegg im Richtplan wäre überhaupt der erste Volksentscheid zu einem Richtplan in der Schweiz.» Die BauKo beantragt daher, die Zuständigkeit für den Richtplanentscheid dem Grossen Rat zu übertragen.In Innerrhoden lägen die Kompetenzen für Änderungen des Richtplans eigentlich bei der Standeskommission, so die BauKo weiter. Doch mit dem vorgelegten Gegenvorschlag mache die Regierung klar, dass sie über die Festsetzung des Standorts Honegg im Richtplan nicht erneut befinden möchte.Aus Sicht der BauKo sei dies auch verständlich. Denn: «Sollte die Standeskommission bei einer erneuten Abwägung der Interessen zum gleichen Schluss kommen wie bei der Prüfung im November 2018, ergäbe sich hinsichtlich des Windkraftstandorts definitiv eine Sackgasse.»Das Anliegen der Baukommission wird auch von Grossrat Romeo Premerlani (Schwende) unterstützt. Er ist der Meinung, dass durch den Antrag der Baukommission verfahrenstechnische Angriffsflächen minimiert werden. Ein vom Grossen Rat abgesegneter Richtplan erhalte somit eine «solidere rechtliche Basis». Premerlani war es auch, der die Standeskommission an der Dezembersession mit der Ausarbeitung des Gegenvorschlags beauftragt hatte. Seit dem Richtplanentscheid der Standeskommission vor zwei Jahren habe der Grosse Rat in dieser Sache keine Möglichkeit zur Mitwirkung mehr. Mit einem Gegenvorschlag könne jedoch ein Ausweg aus dieser «politischen Sackgasse» gefunden und sichergestellt werden, dass es «in der Sache weitergeht». Zumal sowohl die Standeskommission als auch die vorberatende Kommission des Grossen Rates die Initiative «Pro Windenergie» negativ beurteilt hatten.Der Bau von Windanlagen bleibt Privaten vorbehalten Premerlanis Forderungen wurden von der Standeskommission mehrheitlich umgesetzt. Der Kanton soll sich dafür einsetzen, «rechtliche und planerische Voraussetzungen» zu schaffen, damit das Ausbauziel von 10 Gigawattstunden erreicht werden kann, heisst es im Gesetzesentwurf der Regierung. Die Standeskommission stellt jedoch klar, dass sich der Kanton mit dieser Vorgabe nicht selber zur Stromproduktion verpflichtet. «Der Kanton hat einzig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, soweit dies möglich ist.» Der Bau von Windkraftanlagen sei weiterhin privaten Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften vorbehalten. Dasselbe gelte für allfällige Projektstudien, Windmessungen oder Verhandlungen mit Grundeigentümern.Premerlanis Vorschlag, den Landschaftsschutz bei der Interessenabwägung weniger stark zu gewichten als das Interesse an der Versorgungssicherheit, konnte die Standeskommission allerdings nicht vollständig umsetzen. Einer Richtplananpassung müsse zwingend eine umfassende Interessenabwägung vorangehen. Ein absoluter Vorrang einzelner Interessen würde den bundesrechtlichen Vorgaben widersprechen, ist die Standeskommission überzeugt. Insgesamt ist Premerlani mit dem Gegenvorschlag zufrieden. «Mit dem Auftrag des Grossen Rates ist es gelungen, eine verfahrene Situation wieder in Bewegung zu bringen und den Richtplan als Planungsgrundlage zu reaktivieren.» Bezüglich der Erreichung der Energieziele des Bundes sei man aber nicht viel weiter. «Der Kanton stiehlt sich aus der Verantwortung», stellt Premerlani fest. Die für Innerrhoden sonst typischen Autonomieambitionen könne er beim Thema Energie erstaunlicherweise nicht feststellen. Und was passiert nun mit der Initiative «Pro Windenergie»? Sofern der Grosse Rat den Gegenvorschlag annimmt und an die Landsgemeinde überweist, kann das Initiativkomitee die Initiative noch bis zur Verabschiedung der Geschäftsordnung für die Landsgemeinde zurückziehen.Wie das Komitee vorgehen will, ist noch unklar. Der definitive Entscheid wird erst nach der Grossratssession fallen. 

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