Christlich 09.05.2024

Gedanken zum Auffahrtsfest: Der seltsame Abschied

Wo hat man das je gehört und gesehen? Da geht jemand mit der Gruppe seiner Anhänger und Anhängerinnen hinaus auf eine Anhöhe und gibt in einer kleinen ermutigenden Ansprache ein paar Hinweise wie sie ohne ihn weiterfahren sollen. Danach erhebt er sich, wird hinauf genommen in die Sphären des Himmels und entschwindet.

Von Ingrid Grave, Dominikanerin
aktualisiert am 09.05.2024

Lesen Sie es nach in der Bibel beim Evangelisten Markus – ganz am Schluss seiner Berichte.

Zweifellos muss diese Erzählung als eine Art Symbolbild verstanden werden. In der Kunst hat man über Jahrhunderte den Bericht wörtlich genommen und entsprechend dargestellt; nicht selten sieht man einen hinaufschwebenden Christus in Siegerpose.

Ich möchte Ihnen ein anderes, weniger pompöses Bild vermitteln. Einzig die leuchtenden Farben in Rot und Gelb deuten an, dass derjenige, der sich von der Erde verabschiedet, bereits eingetaucht ist in eine Art von Glorie.

Diese Glorie wirkt auf die Betrachtenden in der Kirche nahezu verklärend, wenn die noch strahlende, aber allmählich untergehende Abendsonne die Farben des Fensters durchglüht. Es ist himmlisch, auch wenn wir heute in unserer Umgangssprache dieses Wort kaum noch ernsthaft gebrauchen, ausser wenn vom Genuss auserlesener Getränke oder Süssspeisen die Rede ist. Wobei man, in Klammern gesetzt, nicht davon ausgehen darf, dass diese Leute durch den Genuss der Köstlichkeiten ernsthaft an himmlische Verheissungen glauben.

Doch: Was ist himmlisch? Ich würde sagen: Etwas Unüberbietbares.

Und da hinein begibt sich der Gekreuzigte, jetzt ein durch und durch Lebender. Sein schlichtes Gewand ist leuchtend weiss. Die Erinnerung an die erlittenen Grausamkeiten hat er nicht einfach abgestreift, sondern er nimmt sie mit als Wundmale an seinen Füssen. Das Neue daran: Sie bluten nicht mehr.

Eine zweite Besonderheit der Füsse ist ihre Stellung: Nur die Fussspitzen sind es, die den Erdball noch berühren. Einen Erdball in einem klaren, hoffnungsvollen Grün, jedoch in keiner Weise verklärt. Die Erde bleibt, wie sie ist. Das Neue daran: Der Verwundete hinterlässt den Zurückbleibenden eine Grünkraft, die Kraft zur Hoffnung. Ein starkes Bild! Wofür?

Wir Irdischen leben hin auf einen Tag des Abschieds.

Er kommt, dieser Tag – für jede und jeden. Wir wissen es. Das Verheissungsvolle daran: Es ist ein Abschied, der uns ein Mehr an Leben verspricht.


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