Christlich 28.05.2023

Gedanken zu Pfingsten: Frischen Wind in gesellschaftliche Diskussionen bringen

Früher, als ich ein Kind war, im Urlaub an der niederländischen Nordseeküste, da jagte uns meine Mutter bei stürmischem und regnerischem Wetter an den Strand.

Von Andrea Hofacker, Pfarrerin
aktualisiert am 28.05.2023

Wenn wir uns darüber beschwerten, weil wir lieber im Trockenen sitzen und gemütlich ein Buch lesen wollten, rief sie:

Nichts da, ihr müsst den Wind mal eure Gehirne lüften lassen!

Vor 2000 Jahren, 50 Tage nach Ostern, da wehte auch ein Wind in Jerusalem. Einer, der den Jüngerinnen und Jüngern die Gehirne gelüftet und sie aus ihrem bangen Versteck in die Öffentlichkeit getrieben hatte. Wir nennen ihn den «Heiligen Geist».

Er brauste durch das Haus, in dem sich die Anhängerinnen und Anhänger Jesu versteckt hatten, er weckte sie auf und er gab ihnen die Gabe, in allen Sprachen reden zu können, damit alle Menschen in Jerusalem sie verstehen konnten.

Er blies ihnen in die Ohren, bis sie vor die Tür gingen, um sich ihrer Aufgabe zu stellen: Vom Leben und Sterben Jesu zu berichten und seine Lehre zu verbreiten.

Das verstehen wir Christinnen und Christen als den Geburtstag der Kirche. Nicht einer speziellen Kirche, sondern der einen Kirche Jesu Christi, die die gesamte Christenheit umfasst. Da stellt sich die Frage, ob der Heilige Geist auch heute noch bläst und wirkt.

Franz Hohler und der Heilige Geist

Franz Hohler hat in seiner Geschichte «Die Ausgiessung» diese Frage beantwortet. Dort wird erzählt, wie der Heilige Geist es satthat, seit 2000 Jahren nicht mehr in Erscheinung zu treten – und beschliesst einen zweiten Versuch zu machen.

Er fährt an einem Pfingstsonntag in eine Schweizer Kathedrale hinab und ergiesst sich vor den Altar. Als der Bischof kurz vor der Pfingstmesse durch den Altarraum schreitet, sieht er dort eine gallertartige Masse liegen.

Er weist den Mesmer an, zu putzen, damit er in einer sauberen Kirche den Gottesdienst feiern kann. Der nimmt die Masse auf und spült sie im Ausguss hinunter. Der Heilige Geist kehrt voller Scham über sein Versagen durch den Hintereingang in den Himmel zurück.

Stören, wie eine gallertartige Masse

Mir gefällt diese Geschichte, weil sie zeigt, dass die Kirche oder die Kirchen es gut gebrauchen könnten, wenn der Heilige Geist sich noch einmal auf sie ­ergiessen würde.

Aber wahrscheinlich würden wir es vor lauter Angepasstheit und Sauberkeit gar nicht merken, wenn er uns beehren würde, der Geist Gottes. Oder er würde stören, wie die gallertartige Masse auf dem Fussboden der Kathedrale.

Aktionen, die von den Kirchen unterstützt werden und die frischen Wind in gesellschaftliche Diskussionen bringen können, werden oft von ihren Gegnerinnen und Gegnern als politische Einmischerei abgetan.

Ich glaube fest, dass der Heilige Geist uns ermutigen will, unser Gehirn zu lüften.

Dazu, um auch gesellschaftspolitisch Stellung zu beziehen gegen Menschenrechtsverletzungen in der Schweiz und anderswo. Ihn mit dem Hinweis auf zu viel Parteipolitik im Raum der Kirchen immer wieder in den Ausguss zu kippen, halte ich für falsch, denn ohne das Hören auf den Geist kann keine Kirche existieren.


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