19.04.2021

Gastronomen hoffen auf schönes Wetter

Viele Restaurants haben nach der letzten Lockerung ihre Terrassen geöffnet. Nun entscheidet auch das Wetter darüber, wie es läuft.

Von Remo Zollinger
aktualisiert am 03.11.2022
Seit Montag ist es wieder möglich, sich in einem Restaurant bedienen zu lassen. Wobei das «in» nicht ganz stimmt: Öffnen dürfen nur die Terrassen, die Innenbereiche bleiben zu. Die Rheintalerinnen und Rheintaler liessen sich davon aber nicht beirren. Viele nutzten bei schönem Frühlingswetter sofort die Gelegenheit, wieder einkehren zu dürfen. «Wir hatten um 8.30 Uhr die ersten Gäste», sagt Lara Sieber, Bar Restaurant Habsburg in Widnau. Sabrina Batt von Rheintal Catering, das unter anderem das «Rathaus» in Altstätten und das «Casa Nero» in Marbach führt, bestätigt: Nicht nur am Mittag war die grosse Terrasse im Zentrum von Altstätten gut gefüllt.Die Lockerung ist an einige konkrete Bedingungen geknüpft. So sind maximal vier Personen an einem Tisch erlaubt, es gilt eine Maskenpflicht und die Daten aller Besucher werden erfasst.Vieles steht und fällt nun mit der Entwicklung des WettersDennoch stand für Lara Sieber und Sabrina Batt nie zur Debatte, auf eine Terrassenöffnung zu verzichten. «Die Gäste vermissten es, flanieren zu können und dazu gemütlich einen Kaffee oder ein Bier zu geniessen», ist Batt überzeugt. «Bei schönem Wetter erwarten wir einen Ansturm der Gäste», sagt Sieber. Die «Habsburg» sei in der glücklichen Lage, eine grosse Terrasse zu haben, und «die Gäste sind dazu bereit, sich warm anzuziehen.» Dies hätten ihr viele auch persönlich mitgeteilt.Das Wetter wird in den nächsten Wochen darüber entscheiden, wie viele Gäste ein Restaurant besuchen. Dies macht alles unberechenbar, was wiederum Auswirkungen auf den ganzen Betrieb hat – etwa auf den Einkauf frischer Lebensmittel oder die Personalpläne. Reduzierte Speisekarten sind die Regel, auch in der «Habsburg». «Die Planung ist sehr schwierig. Wir schauen von Tag zu Tag und sind sehr gespannt, wie das Geschäft anläuft», sagt Lara Sieber.Im Marbacher «Casa Nero», wo ein Food-Truck steht, gelten wegen der abends zu erwartenden tiefen Temperaturen andere Öffnungszeiten als üblich. Das Restaurant schliesst früher. Rheintal Catering freue sich sehr über die Öffnung, sagt Sabrina Batt. Das Unternehmen habe in der Coronazeit zwar viele neue Kunden kennengelernt, etwa dank des Lieferservices. Dennoch: «Offene Restaurants sind ein Bedürfnis, das haben wir gespürt», sagt Batt – wie Sieber darauf hoffend, dass das Wetter möglichst gut mitspielt.Die Frage, ob wirtschaftliches Arbeiten möglich ist, bewegtFür manche ist das Wetter aber auch ein Grund, die Terrasse und damit das Restaurant abgesehen vom Take-away-Angebot gar nicht zu öffnen. Das Rebsteiner Restaurant Traube will erst im Mai wieder Gäste empfangen. Dies wegen der «aktuellen Aussentemperaturen, die für ein gemütliches Beisammensein mit Genuss einfach noch zu tief sind.» Einen Seitenhieb in Richtung Entscheidungsträger vom Bund gibt es auf der Webseite des Restaurants Weisses Rössli in Staad. Dort steht unter anderem, die alleinige Öffnung der Seeterrasse sei nicht optimal. Und: «Eine vernünftige Planung und wirtschaftliche Geschäftstätigkeit bei Temperaturen unter 18 Grad ist nicht machbar.»Auch Friedrich Diener vom Schloss Weinstein in Marbach geht nicht von einer sehr profitreichen Phase aus. Das Restaurant öffnet die Terrasse, denn «zehn Minuten nach der Bekanntgabe der Lockerungen hatten wir die ersten telefonischen Reservationen». Dennoch erwartet Diener hauptsächlich Stammgäste aus der Region. Ausländische Businessreisende, die oft im «Weinstein» einkehren, würden in der aktuellen Pandemielage kaum kommen. Es ist auch ein zahlungskräftiges Kundensegment, das da wegbricht.Diener vermutet, der Bund habe die Terrassen geöffnet, um die Bevölkerung zu besänftigen – besonders nach den Jugendunruhen in St. Gallen. «Zudem ist es etwas verwirrend, dass die Gäste unseres Hotelzimmers im Restaurant essen dürfen und keine Maske tragen müssen, während alle anderen Gäste im Freien sitzen und Maske tragen müssen», sagt Diener.Trotzdem sei er motiviert, sich mit der Situation zu arrangieren. «Wir spüren, dass Gäste kommen wollen und freuen uns, wieder arbeiten zu dürfen», sagt er. Zweittext:«Müssen wir die Maske jetzt nach jedem Schluck wieder anziehen?»Kurz vor 12 Uhr verteilen die Service-Angestellten die ersten Teller mit Salaten oder belegten Baguettes, manche Gäste nippen zur Feier des Tages sogar bereits an einem Bier. Die Gartenbeiz der Widnauer «Habsburg» dient seit Montag nicht mehr nur als Abholstation für Take-away-Menüs – sie ist wieder mit Mobiliar ausgestattet und damit auch wieder von Einkehrenden besiedelt, die mit Sonnenbrille, Mütze und Schal den Temperaturen trotzen und das dezente Frühlingswetter geniessen. Allein, zu zweit, maximal aber zu viert an einem Tisch, die Maske griffbereit neben dem Cappuccino oder lässig am Ohr baumelnd.In eine Decke gewickelt und an einem Tisch niedergelassen hat sich bei knappen 11 Grad auch Karin Signer, die sich mit ihrer Bürokollegin Manuela Meier zum Zmittag trifft. Während Fachkreise darüber streiten, ob die aktuellen Öffnungsschritte des Bundesrates zu früh oder doch eher zu spät kommen, sind sich die Frauen einig: Es ist höchste Zeit.Die Gäste haben stillschweigenden Konsens gefunden«Wir haben uns extrem gefreut und sind deshalb früh in die Mittagspause», sagt Karin Signer, die mit ihrer Freundin normalerweise jede Woche einmal hier sitzt. «Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass das Wetter weiterhin mitmacht und wir unsere Tradition wieder aufnehmen können», ergänzt Manuela Meier.Einen Platz an einem der Tische vor der «Habsburg» und damit ein Stück Normalität gibt es nur gegen eine Online-Registrierung über einen QR-Code, der neben jeder Speisekarte aufliegt. Wer den Tisch verlässt, um die Toilette aufzusuchen, trägt die Maske, wer konsumiert, darf sie ablegen. «Aber was genau heisst Konsumieren? Müssen wir die Maske nach jedem Schluck unseres Eistees wieder anziehen?», fragt sich die Bündner Lehrerin Ursina, die mit einer Freundin aus dem Thurgau in der Sonne sitzt.Die beiden Frauen orientieren sich an den anderen dreissig bis vierzig Gästen, die stillschweigend einen Konsens gefunden zu haben scheinen: Eine Maske trägt hier niemand, solange sie oder er ein Glas oder einen Teller vor sich stehen hat.Auf den Restaurantbesuch folgt das Workout im Gym«Wie gut sieht das denn aus!» Svenja Heules Beifall gilt den beiden Salatschüsseln, die der Kellner vor ihr und ihrem Partner Chris Kobelt abstellt. «Nach Monaten, die wir mit eigenen Kochkünsten und Lieferdienst-Bestellungen verbracht haben, ist das schon etwas Spezielles», sagt die 21-Jährige. Das Paar vermisste die Gastronomie «wirklich sehr» – so sehr, dass es sogar einen Weg aus der täglichen Homeoffice-Tristesse fand. Erst kürzlich buchten die beiden Online-Marketing-Unternehmer eine Übernachtung im Hotel Forum – in Widnau, ihrem Wohnort. Als Hotelgäste war es ihnen allerdings erlaubt, mit Freunden im angegliederten Restaurant zu essen. Chris Kobelt relativiert: «Klar haben wir Restaurantbesuche und vor allem das gesellschaftliche Drumherum irrsinnig vermisst. Viel schlimmer dürften die letzten Monate aber für Singles und Jugendliche gewesen sein, die auf ihren Ausgang und sogar den Sport verzichten mussten.»Der Salat in der Gartenbeiz ist für das Paar nicht die einzige Premiere an diesem 19. April. Nach dem Essen geht’s zum Workout – diesmal nicht in die Stube, sondern ins Fitnesscenter.Seraina Hess

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