23.05.2022

Gaiserbahn-Verein AG2 vor einer ungewissen Zukunft

Sollte die Bahnlinie auf den Stoss stillgelegt werden, würde die Arbeit des Vereins AG2 sinnlos: Ohne befahrbaresTrassee gibt es keinen Grund, den gleichnamigen historischen Triebwagen wieder zahnradstreckentauglich zu machen.

Von Max Tinner
aktualisiert am 02.11.2022
Nebst den Bestrebungen, die Bahnverbindung zwischen Altstätten und Gais als reguläre Bahnstrecke des öffentlichen Verkehrs zu erhalten (Ausgabe vom 10. Mai), gibt es auch solche, früheres Rollmaterial als technisches Kulturgut zu erhalten – und sogar auf der Bergstrecke wieder fahren zu lassen. Zur Rettung des letzten Triebwagens aus der Zeit der Inbetriebnahme der Altstätten-Gais-Bahn im Jahr 1911 formierte sich 2002, also gerade vor 20 Jahren, der Verein AG2. Der Verein benannte sich dabei nach der Betriebsbezeichnung des Triebwagens.Zur Finanzierung seiner Arbeit schob der Verein im Jahr 2007 ebendiesen Triebwagen in einer spektakulären Aktion in die Altstätter Marktgasse. Damit wollte man Gelder für die Erneuerung des Zahnradantriebs zusammenbringen, was Voraussetzung dafür ist, den alten Triebwagen wieder auf der Bergstrecke fahren zu lassen. Nicht im regulären Linienverkehr, aber immerhin im Rahmen von Sonderfahrten.Mit ihrer Ankündigung, den Bahnbetrieb auf der Strecke Altstätten – Gais in absehbarer Zeit einstellen zu wollen, haben die Leistungsbesteller-Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden aber nichts weniger als den Vereinszweck in Frage gestellt. Denn würde der Linienbetrieb eingestellt, wäre der Rückbau des Trassees wohl nur eine Frage der Zeit. Der Verein hofft daher, dass die Arbeitsgruppe, die sich formiert hat, zusammen mit den Appenzeller Bahnen und den Kantonen eine Möglichkeit zur Weiterführung des Bahnbetriebs findet.Die grossen Investitionen werden zurückgestelltSolange fährt der Verein aber seine Investitionen in die Restaurierung des Triebwagens zurück und sistiert im Besonderen die teuren Arbeiten an der Wiederherstellung des Zahnradantriebs. Es wäre unsinnig, viel Geld zu investieren, um den Triebwagen für die Bergstrecke fahrtüchtig zu machen, und dann gar keine Bergstrecke mehr zu haben, stimmten die Mitglieder des Vereins kürzlich an der Hauptversammlung in Wasserauen ihrem Präsidenten Ernst Sturzenegger zu. Der AG2-Präsident hofft, dass in zwei bis drei Jahren Klarheit besteht und die Arbeiten dann zielstrebig fortgeführt werden können.Eine reduzierte Wiederherstellung – also die Zugskomposition ohne Zahnradantrieb lediglich für Adhäsionsbetrieb auf einer flachen Strecke fit zu machen – wäre hingegen nicht, was der Verein anstrebt. Für den nicht erhofften Fall der Aufhebung des Bahnbetriebs zwischen Altstätten und Gais spricht sich der Vereinsvorstand deswegen dafür aus, den Zug ins Museum zu stellen.Der Verein soll so oder so in der Stiftung aufgehenAngekündigt wurde ausserdem eine tiefgreifende Reorganisation: Auf den 1. Januar 2023 soll der Verein AG2 in die Stiftung historische Appenzeller Bahnen integriert – und der Verein damit faktisch aufgelöst werden. Dieser im Jahr 2018 von den Appenzeller Bahnen gegründeten Stiftung wurde das Eigentum am historischen Rollmaterial übertragen. Die Unterhalts- und Restaurierungsarbeiten führt der Verein seitdem im Auftrag der Stiftung durch. Lediglich das Zahnradprojekt für den Triebwagen AG2 liegt noch in der alleinigen Verantwortung des Vereins.Diese Zweiteilung hat sich aus Sicht des Vereinsvorstands nicht in jeder Hinsicht bewährt. Im Besonderen sei der Koordinationsaufwand deutlich grösser geworden, stellte Sturzenegger an der AG2-Hauptversammlung fest. Weil ausserdem mehrere Vorstandsmitglieder zurücktreten möchten – unter anderem Sturzenegger selbst – schlägt der Vorstand nun vor, «wieder zusammenzuführen, was zusammengehört».Das letzte Wort zu diesem Schritt haben die Mitglieder. Weil sich kaum, wie statutengemäss nötig, die Hälfte von ihnen an einer ausserordentlichen Versammlung einfände, soll nach den Sommerferien schriftlich abgestimmt werden.Der Geist des Vereins würde weiterlebenEnde letztes Jahr hatte der Verein AG2 insgesamt 150 Mitglieder, wovon 27 aus dem Rheintal. Mitglied wie in einem Verein können sie in der Stiftung zwar nicht werden. Die Stiftung ist aber gleichwohl auf Gönner angewiesen und nicht minder auf jene engagierten Fachleute, die bereits heute das historische Rollmaterial in Schuss bringen und halten. Der Geist des Vereins würde also in der Stiftung weiterleben.Der Stiftungsrat stehe hinter dem Vorhaben und sei bereit, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe neue Strukturen zu erarbeiten, sagte Sturzenegger. Im Informationsblatt vom Juni will der Vorstand im Detail informieren. Bis dahin sind noch verschiedene rechtliche Fragen zu klären.Bereits an der Hauptversammlung demissionierten zwei langjährige Vorstandsmitglieder: der langjährige Kassier Walter Eisenhut (Roggwil) und Beisitzer Michael Bergmann (Bussnang). Das Kassieramt konnte vorstandsintern neu besetzt werden, der bisherige Beisitzer Martin Wirth (Paradiso) übernimmt es. Neu in den Vorstand gewählt wurde Heidi Baumgartner aus Buchs, die bei Extrafahrten mit historischem Rollmaterial fürs Catering im Zug zuständig ist. Dem Vorstand gehören weiter Ernst Sturzenegger (Bäretswil) als Präsident sowie Hendrik Müller (Arbon) als technischer Leiter und Samuel Keiser (Gais) als Aktuar an.Hinweis: Weitere Infos unter www.stiftungab.ch und www.ag2.ch[caption_left:Mitglieder des Vereins AG2 und Präsident Ernst Sturzenegger (rechts) nach der Vereinsversammlung vor einem anderen historischen Zug der Appenzeller Bahnen in Wasserauen.]Misstrauische OberzolldirektionDer Verein AG2 hat letzten Herbst unerfreuliche Post von der Oberzolldirektion bekommen: Für ein importiertes Sitzpolster für das Erstklassabteil eines historischen Bahnwagens wurden Zollgebühren und Mehrwertsteuern in Höhe von 2050 Franken und 40 Rappen eingefordert. Der Vorstand wehrte sich gegen die Zahlung, was dann in eine Diskussion darüber mündete, ob der Wagen, für den das Polster bestimmt war, kommerziell genutzt wird oder ob er lediglich ein Museumsexponat ist. Bis zu vier Fahrten pro Jahr mit dem Wagen lässt das Amt gelten. Eines schönen Sonntags standen dann tatsächlich hochrangige Zöllner da, um sich davon zu überzeugen, ob der Wagen im Schuppen des Museums steht oder nicht. Sie fanden ihn nicht vor – just an jenem Sonntag stand er im Einsatz. Vereinspräsident Ernst Sturzenegger rechnet seitdem jederzeit mit weiteren Kontrollen. (mt)

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