Hildegard BickelDas Generalabonnement könnte zum Fahrplanwechsel 2021 statt wie heute 3860 Franken neu 4250 Franken kosten. Die Preise legt der Tarifverbund CH-direct fest, ein Zusammenschluss von 250 Schweizer Transportunternehmen.Wie stehen Sie zu einer möglichen GA-Preiserhöhung?Thomas Ammann: Die Ideen von CH-direct finde ich falsch und eine übermässige Erhöhung von mehr als zehn Prozent schockierend. Gerade jetzt, in der grossen, öffentlichen Klimadiskussion, ist es ein falsches Signal an die fast 500000 GA-Besitzer, die die regelmässigen Benutzer des ÖV sind. Der Tarifverbund schiesst auch ein Eigengoal, weil damit weniger Leute zum Umsteigen auf den ÖV bewegt werden.Wie kann den stetig steigenden Preisen entgegengewirkt werden?Durch eine bessere Auslastung des ÖV, angestossen von einem guten Angebot. Dann kann mit Optimierungen auch etwas gemacht werden, wobei dies nicht zu Lasten der ländlichen Regionen und des Personals erfolgen darf. Auch die Gemeindetageskarten sollten nicht abgeschafft werden, da die SBB selber ja auch Tageskarten – noch günstiger, unter 30 Franken – anbieten.Im Rheintal sind Angebote des Tarifverbunds Ostwind bei Pendlern verbreitet. Wer soll sich das GA Ihrer Meinung nach noch leisten?Für alle, die über das Ostwindzonengebiet hinaus den ÖV benutzen, lohnt sich ein GA. Für die anderen ist das Ostwind-Jahresabo maximal mit 3078 Franken oder ein anderer Abotyp eine echte Alternative zum Auto und zum Motorrad für tägliche Fahrten. Die ÖV-Nutzung in unserer Region wird in Zukunft zunehmen, da diese durch die Faktoren Preis, Fahrzeit und Angebot beeinflusst werden. Im Rheintal wird der ÖV mit dem Doppelspurausbau auf 2025 verbessert und ein Halbstundentakt beim REX zur Verfügung stehen.Trotzdem denken viele bei Preiserhöhungen im ÖV: «Dann nehme ich eben das Auto.» Was halten Sie solchen Argumenten entgegen?Beim Vergleich der Kosten für einen Fahrweg müssen beim Auto die Anschaffung und die Folgekosten berücksichtigt werden. Dann kommen auch die Betriebskosten dazu. Die Mobilität mit dem eigenen Auto ist, je nach Strecke und wenn man als Einzelperson unterwegs ist, teurer.Wie würde sich eine Preiserhöhung hinsichtlich des Agglomerationsprojekts mit grenzüberschreitendem Verkehr auswirken?Dies wäre für die Förderung des grenzüberschreitenden ÖV im Agglo-Gebiet Rheintal sehr negativ. Das Tarifgefälle zwischen der Schweiz und Vorarlberg ist bereits heute beträchtlich. Eine Tarifangleichung ist nicht realistisch und es ist in der Tat so, dass der österreichische Staat den ÖV stärker mit öffentlichen Geldern subventioniert. Im Sinne eines Mobilitätsengagements könnten sich aber die Unternehmen an den ÖV-Kosten ihrer Mitarbeitenden beteiligen. Es läuft ein Projekt für ein spezielles grenzüberschreitendes ÖV-Pendler-abo, das von der Region Rheintal angestossen wurde.Es ist nicht nur Kritik zu hören. Auch ist die Meinung verbreitet, dass der ÖV zu günstig sei und Preiserhöhungen gemäss Verbraucherprinzip vertretbar.Es werden gemäss der vom Volk beschlossenen Regelung die Strasse und Schiene mit öffentlichen Geldern mitfinanziert. Daher sollten Strasse und Schiene nicht gegeneinander ausgespielt werden. Im Rheintal brauchen wir beides. Und der ÖV wird eben nicht zulasten der Strasse mitfinanziert. Zudem wäre es nicht förderlich, die Kostenschere zwischen öffentlichem und Individualverkehr zu öffnen.Apropos Subventionen: Sobald von Gewinnorientierung die Rede ist, leidet der Dienstleistungsgedanke.Die SBB müssen einen starken Service public erbringen und dies für die ganze Bevölkerung. Manchmal geht die Optimierung der SBB vor allem im Kundenbereich zu schnell, ich denke da etwa an die geplante Drittverkaufsstellen-Aufhebung, die auch dank meiner Intervention politisch gestoppt werden konnte. Auch den Mitarbeitenden bei den SBB ist Sorge zu tragen, denn sie sind es, die tagtäglich einen guten Job machen und für die hohe Qualität im Vergleich zu ausländischen ÖV- und Bahnbetrieben verantwortlich sind.Die SBB rühmen sich mit günstigen Fernverkehrsbilletten, die sie anbieten. Weshalb wird mit Sparangeboten nicht auch Pendlern und Vielfahrern gedient, die fast täglich auf den Schienen unterwegs sind?Für Pendler und damit regelmässige Benützerinnen und Benützer des ÖV ist das GA oder ein Verbundabonnement das richtige Angebot. Deshalb tun die SBB gut daran, sich bei der Preis- und Sortimentsstrategie nach der Bevölkerung zu richten. Für Pendler sind die Sparangebote nicht ideal, da diese vor allem zeitlich eingeschränkt sind. Die Sparbillette sind ein attraktives Angebot, das mehr ÖV-Benutzer bringt und eine wirtschaftlichere Auslastung von schlecht besetzten Linien ergibt.Wer das GA zum Pendeln nutzt, braucht es eher auch für touristische Zwecke. Wie ist dieser Aspekt auf das Reiseverhalten zu werten?Das GA kann und soll für Fahrten in der Freizeit genutzt werden. Der ÖV in der Freizeit muss massiv gefördert werden, denn gemäss neusten Berechnungen werden in der Freizeit nur 19 Prozent der Distanzen mit dem ÖV zurückgelegt, während es im Pendlerverkehr 32 Prozent sind. In der Freizeit sind die Züge nicht überfüllt und könnten durchaus noch eine Mehrauslastung vertragen. Vielleicht könnte ein «Freizeitangebot», preislich abgestuft und benutzbar für eine Person oder eine Gruppe mit einer begrenzten Anzahl sowie einem kleinen Aufpreis, Anreiz für die zusätzliche Benützung des ÖV in der Freizeit sein.Als Alternative zu einem teureren GA ist mit einem Mehrfahrten-GA ein neues Produkt geplant. Kann solch ein Angebot überzeugen?Die SBB haben bereits letztes Jahr das Ausflugs-Abo lanciert. Zum Halbtax-Abo kann ein Set von 20 oder 30 Ausflugstagen gekauft werden, das innerhalb eines Jahres flexibel und ohne Einschränkungen genutzt werden kann. Das Angebot hat sich positiv entwickelt und trägt dazu bei, den ÖV besonders beim Freizeitverkehr zu steigern. Ein Weiterausbau ist daher zu begrüssen.