Gert BrudererMan stelle sich bitte als Gastgeber vor: Eine gesellige Runde ist zu Besuch, aus dem Keller wird eine Weinflasche hochgebracht – und die Bemerkung «Ein Bernecker – ist’s recht?» wird mit schlagartig getrübter Laune zur Kenntnis genommen.Geschickter macht’s Daniel Fürst, der Mann, dem die Aufgabe zukommt, das Haus des Weins mit Leuchtkraft auszustatten. Beglückt er Gäste mit Rheintaler Wein, verschweigt der 46-Jährige die Herkunft, bis sich jemand anerkennend äussert und sich nach dem Wein erkundigt. Es kommt zum Aha-Erlebnis, und der Wein bereitet Freude.Wäre Tennisstar Roger Federer, Bürger von Berneck, im Fernsehen bei einem Glas Wein zu sehen, nähme er einen Schluck und kommentierte er den Genuss mit einem schwärmerischen «Mhh, ich liebe den St. Galler Wein» – sofort zöge die Nachfrage an. Mit dem Beispiel gibt Daniel Fürst zu verstehen: Der Weingenuss ist immer auch eine Kopfsache.Der Ribelmais hat heute KultcharakterNatürlich wird schlechter Wein nicht durch Einbildung gut, aber guter Wein lässt sich leicht unterschätzen. «Manchmal muss zuerst der Auswärtige etwas mögen, bevor der Einheimische es ebenfalls als Besonderheit erkennt», sagt Daniel Fürst.Zum Beispiel Ribelmais.Den wollte niemand, bis er vor knapp zwei Jahrzehnten klug ins Scheinwerferlicht gehievt und noch klüger vermarktet wurde. Heute hat er Kultcharakter. Eine gross angelegte Umfrage der Hochschule St. Gallen im letzten Jahr zeigt, dass den Menschen die Herkunft der Waren sehr wichtig ist. Das verwundert nicht unbedingt, wenn man weiss, dass dem elfjährigen Sonnenbräu-Fanclub rund 4000 Mitglieder angehören. Sogar die Grossverteiler haben erkannt, dass mit regionalen Produkten Wachstumschancen verbunden sind, was sich dem Sortiment ansehen lässt.Auf das Haus des Weins bezogen heisst das: Die Rahmenbedingungen sind sehr gut. Die Qualität des St. Galler Weins ist deutlich besser geworden, der Auftritt professionell, der Zusammenhalt unter den Rebbauern inzwischen geradezu mustergültig. An Wettbewerben, auch internationalen, schneiden die St. Galler Weinproduzenten stets überdurchschnittlich ab.St. Galler Weinregion ist verzetteltEin Nachteil, den unser Kanton gegenüber der Bündner Herrschaft und anderen namhaften Weinregionen hat, springt ins Auge. Oder eben nicht: Wer durchs Rheintal fährt, kann die Bedeutung des hier wachsenden Weins nicht erkennen. Kommt hinzu, dass die St. Galler Weinregion verzettelt ist. Reben gibt es, ausser im Rheintal, am Zürichsee, im Sarganserland sowie im Fürstenland um Wil.Mit dem derzeit entstehenden Haus des Weins im Weindorf Berneck soll der St. Galler Wein ein Zuhause bekommen. Seit September ist die Ortsgemeinde Berneck es am Bauen. Den Leuchtturm und Anziehungspunkt, der die St. Galler Weinregionen endlich zusammen- und einem breiten Publikum näherbringt.In der Aufbauphase unterstützt der Trägerverein Culinarium die Ortsgemeinde Berneck dabei, das Haus des Weins zu führen. Dazu gehören die Gestaltung, Koordination und Bewerbung verschiedener Angebote gemäss einem Projektvertrag.Daniel Fürst, der mit seiner Familie in Salez lebt und hier bei Culinarium für Gastronomie und Wein zuständig ist, wirkt bis mindestens Ende 2019 als Projektleiter, mit der Option auf ein weiteres Jahr. Nach der Aufbauphase soll die ordentliche Betriebsphase mit einem noch nicht bestimmten Pächter beginnen.Die strategische Leitung des Hauses wird einer Betriebskommission übertragen. Ihr gehören Vertreter der Ortsverwaltung, des Vereins Rheintal Wein, des Branchenverbandes St. Galler Wein sowie Caterer an.Ästhetisches AusrufezeichenSchon architektonisch ist das Haus des Weins etwas Besonderes, ein ästhetisches Ausrufezeichen. Hierher passt der Plan, den Weingenuss mit Atmosphäre, Erinnerung, Emotionen und Assoziationen zu verbinden, wie Daniel Fürst dies vorschwebt. Weinaffine Touristen aus der Bodenseeregion, dem Vorarlberg, aus Süddeutschland, Ostschweizer generell und Gourmands aus dem Zürcher Raum – sie alle sind ebenso eine Zielgruppe wie Kongressteilnehmer und natürlich die Menschen aus nächster Nähe, dem Rheintal.Zum Leuchten gebracht wird das Regionale, Speisen und Getränke von hier, in Zusammenarbeit mit Caterern. Der kulinarische Genuss wird mit Führungen im Haus und im Rebberg, mit Degustationen, Seminaren, Feiern aller Art, wohl auch mit wiederkehrenden Anlässen wie einem Monatsstamm sowie mit fixen Öffnungszeiten (zum Beispiel am Samstag) verbunden. Eines aber wird das Haus des Weins bestimmt nicht sein: ein Restaurant.Das Herzstück ist die WeinweltDas dreigeschossige, mit einem Lift ausgestattete Gebäude des einheimischen Architekten Carlos Martinez hat im ersten Stock ein grosses Fenster, durch das der Blick auf den Rebberg fällt. Vorhanden sind ein rund 80 Quadratmeter grosser Raum, ein Sitzungszimmer, ein Archivraum und ein Lager. Im Erdgeschoss, das als direkter Übergang ins Freie dienen kann, befinden sich die Lounge als zweiter grosser Raum, das Foyer, je ein Lager und ein Office. Das Herzstück des Hauses liegt unter der Erdoberfläche: die Weinwelt mit Nischen. St. Galler Weinproduzenten können hier Raum mieten – schön beleuchtete, edle Holzkörper.Sicher hat das Haus auch eine museale Funktion. Als themenbezogener Ort der Begegnung ist es für die Vermittlung von Wissenswertem geradezu vorbestimmt.Beste Werbung zum richtigen ZeitpunktEröffnet wird das Haus des Weins am Wochenende vom 27. und 28. Oktober. Zwei Wochen zuvor – am Samstag, 13. Oktober – findet der Olma-Umzug statt. Weil der diesjährige Umzug die Weinkultur aufleben lässt, wird den Berneckern und generell dem St. Galler Wein eine besondere Ehre zuteil. An der Olma-Sonderschau ist man auf hundert Quadratmetern vertreten, ausserdem haben die Bernecker das Glück, sich dem Olma-Umzug anschliessen zu dürfen.Der Auftritt sei beste Werbung zum richtigen Zeitpunkt, sagt Daniel Fürst. Der unter der Federführung von Carlos Martinez gestaltete Wagen wird der letzte des Umzugs sein.Auf diesem Wagen wird das neue Prunkstück der Bernecker stehen, das Haus des Weins, gross und masstabsgetreu. Schönes Wetter vorausgesetzt, werden schon vor der Eröffnung rund 30000 Menschen es sehen.