11.05.2018

Für ihn geht es um eine Million Franken

Kurt Russenberger besitzt seit 1989 Bauland im Ortsteil Wilen und will drei Einfamilienhäuser bauen. Die Gemeinde hat ihm 2015 eine Frist von zehn Jahren gegeben, diesen Boden zu überbauen. Jetzt soll er aber ausgezont werden.

Von Monika Egli
aktualisiert am 03.11.2022
1989 hat Kurt Russenberger eine Liegenschaft im Ortsteil Wilen gekauft. Das Areal umfasst 6097 Quadratmeter, ein grosser Teil davon in Hanglage. Das Wohnhaus ist vermietet, in der angebauten Werkstatt betreibt er die Russenberger AG, Fenster und Innenausbau. Der grösste Teil des Bodens befand sich beim Kauf und befindet sich bis heute in der Bauzone. Wenn es nach dem Vorhaben des Gemeinderats geht, ist es damit aber bald vorbei. Über Russenbergers Boden ist die Auszonung verhängt worden (s. «So berechnete der Kanton, wo es zu viel Bauland hat»).Zwischen 1989 und heute liegen schier unglaublich viele Vorfälle rund um das Russenberger-Areal, was nicht zuletzt mit den häufig wechselnden Gemeindebehörden, besonders Gemeindepräsidenten in Walzenhausen zu tun hat. Nicht jeder Neue fühlte sich den Zusagen und schriftlichen Abmachungen des Vorgängers verpflichtet. Am Entscheid, wo ausgezont wird, ist die Gemeinde massgeblich beteiligt.Das Wichtigste: Nach dem Kauf 1989 hat der damalige Raumplanungskommissions- und Gemeindepräsident sowie Architekt Eugen Brandenberger in Russenbergers Auftrag detaillierte Projektpläne erstellt. Diese Pläne wurden der Ortsplanungskommission eingeschrieben zugestellt.Nach einer Zonenplanrevision stellte Russenbergers Architekt  2006 dann fest, dass die Baulinie auf dem Grundstück verschoben und das Bauland deshalb wesentlich verkleinert worden war. Nicht genug damit, war eine von drei Parzellen für Einfamilienhäuser mittig zerteilt worden. Das verbliebene Bauland war auf einen Schlag 100'000 Franken weniger wert, die Pläne waren Makulatur, wie Russenberger sagt.Niemand hatte vor der Flächenverkleinerung das Gespräch mit ihm gesucht. «Ein riesiger Fehler», wie er findet, «eingestanden hat ihn allerdings niemand. Beklagt habe ich mich deshalb aber nicht.» Russenberger, der als Eigentümer die Erschliessungsstrasse erstellen muss, beantragte in der Folge eine Baubewilligung dafür und erhielt sie auch. Er wartete mit dem Bau aber bis heute, da wegen hängiger Rechtsverfahren von der öffentlichen Hand noch gewisse Zusagen fehlen.Nach Eugen Brandenberger und Hans Wiesendanger kam 2007 mit Clemens Wick ein neuer Gemeindepräsident ans Ruder. Da die Strasse teuer werden würde, riet der damalige Gemeinderat Kurt Russenberger, fünf Häuser zu projektieren, worauf er neue Pläne erstellen liess. Gemeindepräsident Wick und alle Ratsmitglieder traten 2011 dann aber zurück, in der Folge übernahm Hans Rudolf Bänziger mit neuen Ratskollegen das Geschick der Gemeinde. Vom Vorhaben mit den fünf Häusern hielt der neue Gemeinderat nichts – und wieder wanderten die Pläne in den Papierkorb, «was mich rund 50'000 Franken gekostet hat». Unterdessen ist das Gemeindepräsidium wiederum in neue Hände gelangt, Michael Litscher bekleidet dieses Amt seit Frühjahr 2018. Um keine Fristen zu verpassen, wollte Russenberger die erteilte Baubewilligung für die Erschliessungsstrasse verlängern lassen. Diese Verlängerung ist jetzt aber verweigert worden. «Dabei», sagt Russenberger, «gab es vor rund vier Wochen mit Kantonsvertretern und Michael Litscher einen Augenschein vor Ort. In all den Jahren hat nie jemand von Auszonung gesprochen, auch nicht an dieser Begehung.»An die Strasse müsste die Gemeinde gemäss Reglement 142'000 Franken beitragen. «Im genehmigten Budget 2017 war dieser Betrag aufgeführt. Im Budget 2018 ist der Betrag nicht mehr enthalten – einfach verschwunden», sagt Russenberger. Er ist frustriert: «Die Gemeinde hat mir im August 2015 schriftlich zehn Jahre Zeit gegeben, den Boden zu überbauen, sie hat mir damit das Bauland doch zugesichert. Wenn ich die Strasse nicht bauen kann, blockiert mir der Gemeinderat das Land und meine Baupläne. Ich musste jetzt einen Anwalt zuziehen, und als erstes habe ich beim Kanton Rekurs gegen die nicht erteilte Verlängerung der Strassen-Baubewilligung erhoben.»Die drei Bauparzellen auf Russenbergers Boden umfassen 2198 Quadratmeter, 1815 davon sollen ausgezont werden. Was bleibt, genügt weder für ein Haus noch würde sich eine Erschliessungsstrasse rechnen. Und was, wenn die Auszonung doch erfolgt? Russenberger: «Daran darf ich gar nicht denken. Auch wenn es eine Entschädigung gäbe, was ja noch nicht gesetzlich verankert ist, würde mich das mit den bisher aufgelaufenen Kosten eine Million Franken kosten.»Wegen Abwesenheit des Gemeindepräsidenten will die Gemeinde erst nächste Woche Stellung nehmen. So berechnete der Kanton, wo es zu viel Bauland hat Dass es in den kommenden Jahren in Ausserrhoden zu Auszonungen von Bauland kommen wird, war bereits 2014 ein Thema, als der kantonale Richtplan in Angriff genommen wurde. «Schon damals», sagt Gallus Hess, Leiter der Abteilung Raumentwicklung, «wurden mit den Gemeinden Fragen zu den teilweise zu grossen Bauzonen diskutiert.» Die Gemeinden seien in der Folge in die Arbeiten am kantonalen Richtplan eingebunden gewesen und konnten sich in zwei Vernehmlassungen äussern.Es ist bekannt, dass Hundwil, Schwellbrunn, Schönengrund, Trogen, Wald, Walzenhausen und Wolfhalden mehr eingezontes Land haben, als sie langfristig benötigen, total sind es 12,6 Hektare, der grösste Anteil entfällt mit 4,4 Hektaren auf Walzenhausen. Aus den betroffenen Gemeinden hört man Murren und Knurren. Vor allem werden die Berechnungen angezweifelt. Wie es zu diesen Berechnungen kam, ist zwar einsehbar und denGemeindebehörden gemäss Gallus Hess bekannt. Es gibt aber offensichtlich zahlreiche Kantonseinwohner, die sie nicht kennen. Grundlage für die Berechnung von nötigem Bauland für die nächsten 15 Jahre bilden die bestehenden Bauzonenreserven und das langfristige Bevölkerungsszenario. «Regierung und Kantonsrat haben sich für das Szenario Mittel plus entschieden, das ein moderates Wachstum zulässt», sagt Gallus Hess. «Das gewählte Szenario wurde an mehreren Workshops mit den Gemeinden diskutiert und als realistisch erachtet.» Es sind im Durchschnitt ab 2014 jedes Jahr 0,36 Prozent mehr Einwohner bis ins Jahr 2040 eingeplant. Diese 0,36 Prozent gelten für alle Gemeinden ausser für Herisau, Teufen, Speicher und Heiden; sie sollen aufgrund ihrer Zen­trumsfunktion undNachfrage einen zusätzlichen Wachstumsanteil von 0,18 Prozent erhalten. «Das ermöglicht bis 2040 ein Wachstum auf insgesamt 60000 Kantonseinwohner.» Für die Berechnung der Bauzonenreserven als zweite Grundlage wurde der Datensatz «Stand der Erschliessung» herangezogen. Dieser Datensatz wird von den Gemeinden jedes Jahr selber aktualisiert und gibt Auskunft über ihre überbauten und nicht überbauten Gebiete. Der Vergleich der Bauzonenreserven mit dem angestrebten Bevölkerungswachstum zeigt dann auf, ob eine Gemeinde heute über zu wenig, gerade genug oder zu viel an eingezontem Bauland verfügt bis ins Jahr 2040. «Der Richtplan gibt die kantonale Siedlungsstrategie vor sowie die Zielgrössen, die nicht überschritten werden dürfen», erklärt Gallus Hess, die Berechnungen seien gerecht.«Jede Gemeinde soll gleich an Einwohnern wachsen können», gelte als erster Grundsatz. Nun liege der kantonale Richtplan zur Genehmigung beim Bundesrat; Änderungen seien nicht mehr angebracht. Allerdings soll alle vier Jahre eine Standortbestimmung vorgenommen werden, dann sind auch Datengrundlagen und die Berechnungen wieder ein Thema. Was aber gilt: «Ein Flächenwachstum der Bauzone im Kanton gibt es mit den neuen Bundesvorgaben nicht mehr». Entwicklung soll innerhalb der Bauzonen erfolgen und gefördert, eine weitere Zersiedelung vermieden werden. (eg)

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