27.02.2021

Für die Teenager stimmt’s, für Wirte nicht

Die Regierungen von Inner- und Ausserrhoden begrüssen die Lockerungen für die Jugendlichen, im Gastrobereich hätten sie mehr erwartet.

Für die Gastronomie bringen die angekündigten Lockerungen keine Änderungen. Allenfalls dürfen die Terrassen statt am 1. April eine Woche früher öffnen. «Ich habe nicht mehr erwartet», sagt Gastrounternehmer Florian Reiser konsterniert. Der Teufner betreibt die bekannten Focacceria-Lokale in Herisau, St.Gallen und Wil. «Dass Terrassen früher öffnen können, wäre wichtig für Berg- und Ausflugsrestaurants. In der Stadt ist das völlig irrelevant.» Im April könne es hierzulande kalt sein oder gar schneien und am Abend wolle man drinnen sitzen. Reiser sagt weiter: «Wenn wir öffnen, dann müssen auch alle anderen Restriktionen fallen, damit das Geschäft wieder kostendeckend betrieben werden kann. Wir brauchen Anlässe, die am Abend stattfinden dürfen und auch das Catering muss wieder Aufträge erhalten.»Das grösste Problem sei die fehlende finanzielle Unterstützung, so Reiser. «Im Dezember wurde uns zugesichert, dass wir entschädigt werden. Seither sind wir ruhig und hoffen, dass das Geld kommt, aber nichts passiert. Es ist höchste Zeit, dass die Politik endlich die Konsequenzen ihrer verordneten Massnahmen trägt.» Er sei nicht der einzige, dem es so gehe, so der Gastronom. «Ich kenne wirklich viele Berufskollegen, aber keiner hat bis jetzt auch nur einen Franken Härtefallgelder gesehen.» Die Situation sei wirklich schlimm, so Reiser. «Ohne Konkurs zu machen, kann nun kein Gastronom mehr aussteigen. Wir sind seit einem Jahr im freien Fall und alle hoch verschuldet. Mein Betrieb bräuchte 750000 Franken, um allen Verpflichtungen nachzukommen. Jeden Monat erhöht sich der Bedarf, um die Fixkosten zu decken, um etwa 80000 Franken.»Ausserrhoder Regierung teilweise zufriedenZumindest teilweise zufrieden mit dem Entscheid des Bundesrates zeigt sich die Ausserrhoder Regierung. «Wir begrüssen insbesondere die Öffnung der Läden, Museen und Sportanlagen», sagt Landammann Alfred Stricker. Einverstanden sei man zudem mit der Erhöhung der Gruppengrössen bei Sport und Kultur mit Fokus auf junge Menschen bis 20 Jahre. Damit komme der Bundesrat einem Anliegen der Kantone nach, was ihn freue, sagt Stricker. Der Regierungsrat begrüsst abgesehen davon den risikobasierten Ansatz. Dies bedeutet, dass mögliche zusätzliche Öffnungsschritte von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängen. Dazu werden verschiedene Richtwerte wie beispielsweise die Positivitätsrate, die Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten und die durchschnittliche Reproduktionszahl über die letzten sieben Tage berücksichtigt. Gemäss Stricker führt dies zu Planungssicherheit. Nach wie vor nicht einverstanden ist die Ausserrhoder Regierung mit der Verlängerung der kompletten Blockade im Gastrobereich. In einer Medienmitteilung verlangte sie am vergangenen Samstag die Öffnung der Aussenbereiche bereits für den 1. März. Nun soll dieser Schritt nach dem Willen des Bundesrates allenfalls eine Woche früher als ursprünglich vorgesehen, am 22. März, erfolgen. «Wir erwarten nun, dass die Restaurants ab diesem Zeitpunkt ihren Betrieb wieder vollständig aufnehmen können», betont der Landammann.«Es ist, wie es ist», lautet die erste Reaktion von Frau Statthalter Monika Rüegg Bless auf den Entscheid des Bundesrates, mit der Öffnung der Restaurants weiter zuzuwarten. Appenzell Innerrhoden gehörte zu jener knappen Mehrheit der Kantone, welche eine Öffnung der Gastronomiebetriebe per 1. März gefordert hatte. Rüegg Bless führt aus: «Wir hätten uns im Minimum eine Lockerung beim Take-away mit Sitzgelegenheiten im Freien gewünscht.» Koordinierte Sitzgelegenheiten auf Terrassen und vor Lokalen erscheinen der Standeskommission sicherer, als wenn die Leute sich ungeregelt im Freien verpflegen. Da die Gastrobetriebe nicht öffnen dürfen, müssten nun schnell Härtefallgelder fliessen, so Monika Rüegg Bless. Froh ist die Innerrhoder Regierung über die Lockerungen für Jugendliche bis 20 Jahre. «Für meine 17-jährige Tochter zum Beispiel war es fast wie Weihnachten, als sie hörte, sie dürfe wieder mit all ihren Teamkolleginnen Handball spielen», erzählt Monika Rüegg Bless. Auch die Möglichkeit von Treffen mit bis zu 15 Personen im Freien gebe Perspektiven für die Menschen. Weiter begrüsst die Standeskommission, dass der Bundesrat früher als geplant die Lage neu beurteilen wird. In Appenzell Innerrhoden ist die epidemiologische Lage seit Wochen stabil. Die Impfkampagne der vulnerablen Personen sei fast abgeschlossen, auch viele der über 75-Jährigen seien bereits geimpft, so die Gesundheitsdirektorin. Zudem starten in Gesundheitseinrichtungen und am Gymnasium Massentests. Angesichts der fragilen Pandemielage mit den Virusmutanten erachtet die Standeskommission national koordinierte Lockerungsschritte als richtig.Wichtig sei zudem, dass sich Leute mit Symptomen testen lassen und dass sich die Bevölkerung im Privaten weiter an Regeln und Hygienemassnahmen hält. Monika Rüegg Bless sagt: «Jede Massnahme ist nur so gut, wie sie die Bevölkerung mitträgt.»Detailhandel hofft auf rasche ErholungInnerhalb des Gewerbevereins Herisau ist Jürg Mohler für den Detailhandel zuständig. Aus erster Hand weiss er, wie schwierig die vergangenen sechs Wochen, seit der Bundesrat die Schliessung der Läden verfügte, für die einzelnen Geschäfte waren. A-fonds-perdu-Beiträge konnten sie nicht beantragen, da die Unterstützung nur ab einer Schliessung von 40 Tagen oder einer Umsatzeinbusse von 40 Prozent in Frage kam. Mohler ist Inhaber der Bürodesign AG in Herisau. Seinen Betrieb hielt er teilweise aufrecht. Papeterieartikel durften verkauft werden, der umsatzstärkere Bereich mit den Geschenkartikeln fiel jedoch unter das Verkaufsverbot. Hoch waren dementsprechend die Umsatzeinbussen, aber 40 Prozent überschritten sie nicht. Mohler findet das Unterstützungssystem zu wenig ausgeklügelt: «Für die Mitarbeitenden konnte zumindest Kurzarbeit beantragt werden. Wir Inhaber gingen aber leer aus – das System hatte hier definitiv eine Lücke.» Auch dass kleinere Geschäfte, die auf weniger als zehn Kunden gleichzeitig kamen, nicht öffnen durften, konnte Mohler nicht nachvollziehen. Gross ist nun aber die Freude über die angekündigte Lockerung respektive die Öffnung der Läden ab dem 1. März. «Wir sind wahnsinnig froh über diesen Entscheid», so Mohler weiter. Er hofft nun, dass sich das Einkaufsverhalten schnell wieder normalisiert. So zumindest geschah es im vergangenen Jahr nach dem ersten Lockdown. Die Umsätze waren rasch wieder auf dem Stand von vor Beginn der Pandemie. «Wir sind optimistisch, dass dies nun auch wieder der Fall sein wird.»Für Sportvereine bleibt es schwierigAb 1. März sind sportliche und kulturelle Aktivitäten im Freien mit bis zu 15 Personen wieder erlaubt. Für Martin Geisser, Präsident der Handballriege Appenzell, kommt der Hallensport bei diesen Lockerungen dennoch zu kurz: «Man kann vielleicht Ausdauer- und Krafttrainings im Freien machen, doch ein richtiges Handballtraining ist draussen schlichtweg unmöglich. Handball ist und bleibt ein Hallensport.» Dass Jugendliche und junge Erwachsene bis 20 Jahre den meisten sportlichen Aktivitäten wieder nachgehen können, schliesse den Handball nicht mit ein.Abgesehen von den Entscheidungen des Bundes ist Geissers Verein auch von der Umsetzung der neuen Massnahmen durch den schweizerischen Handballverband abhängig. Geisser rechnet mit einem Abbruch der Meisterschaft. Er hofft nun, dass wenigstens das Trainieren in der Halle bald wieder möglich sein wird. (ker, cal, mc, asz, lil.)

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